Rezension

Süße Träume verlängern das Leben

Kann Gelato Sünde sein? - Tessa Hennig

Kann Gelato Sünde sein?
von Tessa Hennig

Bewertet mit 4 Sternen

Torten sind die Spezialität der 60-jährigen Emilia Bäumle. Sie liebt das Backen und verwöhnt gern all ihre Lieben und Fremde dazu. Zu ihrem runden Geburtstag hat sie sich einen Besuch bei ihrer in Italien studierenden Tochter Julia verordnet. Doch die studiert gar nicht mehr, sondern hat sich mit ihrem Verlobten Francesco in dem kleinen verschlafenen Nest Piccolo Leone in Kalabrien niedergelassen, um dort eine Öko-Tourismus-Bude zu eröffnen, in der Verzicht vor Genuss steht. Emilia hat allerdings ihren eigenen Kopf und eröffnet kurzerhand eine eigene Bäckerei, um die Bewohner mit ihren leckeren Gaumenfreuden zu gewinnen, während sie dem Bürgermeister aufgrund der sündigen Kalorienbomben ein Dorn im Auge ist, weiß doch schließlich jeder, dass Fettleibigkeit und zu viel Zucker den Tod früher herbeieilen lässt. Doch Emilia lässt sich davon nicht stoppen…

Tessa Hennig hat mit „Kann Gelato Sünde sein?“ wieder einmal einen unterhaltsamen sowie humorvollen Roman vorgelegt, dessen Lektüre für sehr kurzweilige Lesestunden sorgt. Der locker-leichte und mit viel Witz geprägte Erzählstil lässt den Leser schnell an Emilias Seite gleiten, um der rüstigen und umtriebigen Protagonistin bei ihren Unternehmungen über die Schulter zu schauen. Schon die Reise ins malerische Kalabrien prägt ein stimmungsvolles und farbenprächtiges Kopfkino gefolgt von den unsäglichen Köstlichkeiten, die Emilia in ihrer kleinen Bäckerei zaubert und einem den Mund wässerig macht. Die Idee, allen Einwohnern den Genuss zu verbieten, um ein möglichst hohes Lebensalter zu erreichen, ist einfallsreich, aber vom Gedanken her schon langweilig, denn wer möchte schon auf die Dinge verzichten, die das Leben erst lebenswert machen. Der Eifer des Bürgermeisters wird also schon allein dadurch torpediert, dass gerade die verbotenen Dinge am meisten Spaß machen. Das setzt die Autorin in ihrer Geschichte auch wunderbar in Szene, denn übermäßige Askese kann auch zum Tod führen. Da will man doch eher jeden Augenblick des Lebens unter südlicher Sonne mit allen Sinnen genießen, und genau dabei hilft Emilias Bäckerei auf jeden Fall.

Die Charaktere sind liebevoll und lebendig in Szene gesetzt, sie wirken glaubwürdig menschlich in ihrem Verhalten und lassen den Leser sich sofort in ihrer Mitte wohlfühlen. Emilia ist eine patente und selbstbewusste Frau, die sich nichts vormachen lässt und ihren eigenen Kopf hat. Sie sagt, was sie denkt und hat dabei das Herz auf dem rechten Fleck. Widerstand stachelt sie nur noch mehr an, ihr Ding durchzuziehen. Der holländische Bestatter Arturo ist ein Genießer und großer Fan von Emilias Künsten. Gaspare ist eine Spaßbremse und ein Kotzbrocken, der mit Gewalt und Strafen seinen Willen durchsetzen will. Emilias Tochter Julia ist zu verliebt, um zu bemerken, dass die mit ihrem Freund gemeinsam gefasste Idee von Anfang an zum Scheitern verurteilt ist. Ebenso überzeugen die Bewohner des kalabrischen Dorfes, die sich zu gern von Emilia verführen lassen.

„Kann Gelato Sünde sein?“ überzeugt mit farbenfrohen Bildern, einer lustigen Story und der Tatsache, dass das Alter gar nicht so wichtig ist, wenn man seinen Träumen folgen und sie verwirklichen möchte. Gerade ein gesunder Kampfgeist mit einer ehrlichen und offenen Art können immer wieder sehr überzeugend sein. Eine schöne Italienreise mit Gaumenfreuden schenkt schöne Lesestunden, und dafür gibt es eine verdiente Leseempfehlung!