Rezension

The convient way of cooking

Der vergessene Geschmack von Glück -

Der vergessene Geschmack von Glück
von Lars Simon

Bewertet mit 3 Sternen

Wie glücklich können wir Frauen uns heute schätzen, dass wir Hosen tragen dürfen (in Paris erst kürzlich per Gesetz erlaubt), wählen gehen und beruflich auf eigenen Beinen stehen dürfen. Vor hundert Jahren wären alle drei Punkte nahezu unmöglich gewesen, was Lars Simon uns am Beispiel von Anna-Greta Olsson beispielhaft vor Augen führt. Jung verwitwet erfüllt sie sich weit ihrer Zeit voraus ihren Traum von einer eigenen kleinen Insel an der schwedischen Küste mit einem Hotel und einer Küche, in der sie selbst für ihre Gäste genau die Gerichte kocht, die diese gerade in ihrem Gemütszustand benötigen. Doch ein schrecklicher Unglücksfall auf einer von ihr ausgerichteten Geburtstagsgesellschaft lässt Anna-Greta eine unumkehrbare Entscheidung treffen, deren Folgen bis in die Gegenwart zu spüren sind und scheinbar jegliches Kochen in ihrer einstigen Küche unmöglich macht. Der resignierte Koch Leif glaubt nicht an Flüche und nimmt aus einer eigenen Notlage heraus diesen Kochjob auf Fjärranö an. Es soll ein unvergessliches Abenteuer für ihn werden und die Magie des Kochens neu in ihm entfachen.

Ich mag die Romane von Lars Simon. Er hat das Talent vorwiegend sympathische, leicht angeknackste Figuren zu erschaffen, denen man gern durch ihr gerade auf den Kopf gestelltes Leben folgt. Meistens wirft er noch ein oder zwei Prisen Magie in seine Geschichten und hilft seinen Protagonisten damit, herauszufinden, was ihnen wirklich wichtig ist in ihrem zukünftigen Leben. Manchmal würde ich mir diese Prise Magie auch für mein eigenes Leben wünschen oder zumindest die Portion Mut, die Simons Figuren in sich finden, um aus ihrem Alltag auszubrechen und sich dem angebotenen Abenteuer zu folgen. Natürlich wissen sie in der Regel nicht, dass sie ein Abenteuer antreten, auch Leif hat keine Ahnung, dass er ein solches mit seinem Überbrückungsjob angenommen hat.

Lars Simon erzählt zwei Handlungsstränge auf Fjärranö, zwischen denen mehr als hundert Jahre liegen. Er lässt den Leser einen kleinen Einblick in Anna-Gretas Leben erhaschen und er ist nah bei Leif, der nicht wahrhaben will, dass sein solides Essen auf dem Weg von der Küche ins Restaurant seinen Geschmack ins Ungenießbare verliert. Die Zukunft des Hotels hängt an seinen Kochkünsten und ihm will einfach kein Gericht gelingen, bis er sich eingesteht, eventuell doch in einer verfluchten Küche zu arbeiten. Simons Figuren sind auch in diesem Buch wieder recht sympathisch, doch mir fiel es schwerer als sonst, eine Beziehung zu ihnen aufzubauen. Vielleicht lag dies an der etwas unausgewogen konzipierten Handlung, die erst in der zweiten Hälfte so richtig Fahrt aufnimmt und in der sich dann plötzlich die Ereignisse zu überschlagen scheinen. Das Kochen nimmt einen großen Raum ein, aber ich bin unsicher, ob es den Detailreichtum wirklich bei jedem einzelnen beschriebenen Gericht für die Handlung gebraucht hätte. Diese war auch ein wenig vorhersehbarer als sonst in Simons Romanen. Das muss nicht unbedingt den Zauber einer Geschichte stören, doch mich ließ es etwas zügiger als nötig durch den Text eilen, um meine Vermutungen bestätigt zu wissen. Zurückfinden zur Inspiration und Leidenschaft als Grundgedanken des Romans fand ich gut, auch der Ausflug ins frühe 20. Jahrhundert mit der Rolle der Frau war eine gute Idee, doch alles in allem hat mich die Umsetzung nicht richtig überzeugen können. Es fehlte die literarische Prise Magie und das Quäntchen skurrilen Humors zwischen den Zeilen, die mich sonst bei Lars Simons Geschichten begeistern.