Rezension

Tolle Message, aber insgesamt etwas undurchsichtig

Hinter Glas - Julya Rabinowich

Hinter Glas
von Julya Rabinowich

Bewertet mit 4 Sternen

Hinter Glas von Julya Rabinowich

erschienen bei Hanser Verlag

 

Zum Inhalt

 

Wie ein Spiegel ist Alice bisheriges Leben in tausend Scherben zerbrochen. Sie hat die Enge und Stille, die Tyrannei des Großvaters nicht mehr ausgehalten. Und flieht zu Niko, ihrer großen Liebe. Von ihm erhofft sie sich Geborgenheit und Halt. Mit ihm verbringt sie einen Sommer voller Freiheit. Doch dann verändert sich alles: Niko ist zunehmend unbeherrscht. Im Moment der größten Verzweiflung gelingt es Alice, sich aus dem Strudel zu befreien. Julya Rabinowich schreibt mit einer erzählerischen Intensität, wie man sie im Jugendbuch lange gesucht hat. Eindringlich und mit poetischer Kraft schildert sie die Facetten der Gewalt und die Geschichte einer Emanzipation.

(Quelle: Verlag)

 

Zum Buch

 

Die Story wird in der personalen Erzählform geschildert, was mir gut gefallen hat. Zwischendurch hat die Autorin in einer anderen Schriftart Passagen eingeschoben, die mit der Zeit immer ein klein wenig skurriler werden. Die Geschichte startet mit einer kleinen Einleitung seitens Alice, dann folgt der Prolog. Im Grunde ist die Story ein Rückblick bis zum Moment des Prologs, danach geht´s noch kurz mit Alice‘ Geschichte weiter.

 

Alice ist eine Außenseiterin. In der Schule hat sie keine Freunde und wird von Mitschülern gemobbt. In ihrem Zuhause ist ebenfalls nicht Eitel Sonnenschein – da spielt der Großvater lange Zeit eine nicht klar definierte Rolle. Man erhält als Leser nur Häppchen und spekuliert mehr, als dass man Genaueres erfährt. Gegen Ende der Geschichte wird noch etwas mehr auf Details eingegangen.

Niko hat die Rolle des strahlenden Ritters inne, übt aber mit der Zeit einen schlechten Einfluss auf Alice aus. Ich mochte den Jungen gar nicht.

Die Eltern von Alice haben eigentlich eher einen Nebenauftritt, aber auch sie konnten meine Sympathien nicht wirklich gewinnen. Sie machten auf mich einen sehr duckmäuserischen Eindruck.

Den Schreibstil der Autorin würde ich als eigenwillig beschreiben. Sie hat sowohl sehr einfache und teils abgehackte, wie auch poetische Sätze eingebaut. War manches Mal etwas schwierig zu lesen, aber damit fällt man auf.

Ich konnte Alice und ihr Bestreben, aus dem elterlichen Haus auszubrechen, vielleicht mal etwas verrückt zu sein und Regeln zu brechen, gut nachvollziehen. Wenn man wie sie nicht wirklich wahrgenommen wird, was hält einen da noch? Dann kommt natürlich die Rettung in Form eines charmanten Jungen daher – da muss man doch zugreifen. Ich habe mich teilweise beim Lesen sehr unwohl gefühlt, da ich mich mit Alice stellenweise zu gut identifizieren konnte. Es gibt die verschiedensten Gründe, so eine Flucht nach vorn anzutreten. Man braucht nur die Gelegenheit und einen Halt, dann geht man. Ob dies immer die perfekte Lösung ist, wage ich aus persönlichen Gründen zu bezweifeln. Meistens kommt man von einer Abhängigkeit in die nächste und da frage ich mich heute, welche wohl gesünder ist …

Ich saß vor diesem Buch und war in der ständigen Erwartung, dass gleich der große Knall kommt – doch der blieb aus. Alice lebt auf jeden Fall weiterhin nach dem Prinzip: wenn ich stillhalte und schweige, dann lebe ich in meiner heilen Welt. Bloß nicht provozieren oder gar aufbegehren.

Was die eingeschobenen Passagen betrifft, überkam mich ungefähr 60 Seiten vor Schluss eine furchtbare Ahnung. Aber diese hat sich nicht bestätigt.

 

Julya Rabinowich hat mich ein wenig ratlos nach dem Lesen zurückgelassen. Ich fand die Message des Buches richtig gut und konnte mich nur zu gut mit der Protagonistin identifizieren. Die Idee mit den Spiegelscherben und dem hergestellten Bezug zum Titel gefiel mir echt gut. Der Schreibstil ist nicht unbedingt meins, aber er passte zur Geschichte. Das Ende und eine Entwicklung von Alice kamen mir viel zu abrupt. Es werden in der Story einige Dinge nur kurz angerissen, was mich schon ein wenig gestört hat. Andererseits denke ich mir aber auch, warum sollte man die auftauchenden Grausamkeiten seitenlang ausführen? Ein kurzes Anreißen genügt schließlich auch. Ich bin da etwas hin- und hergerissen und hätte trotzdem gegen 50 Seiten mehr auch nichts gehabt. Die Rolle des Großvaters wird ja noch ein klein wenig ausgeführt, aber auch die war mir nicht vollends in seinem Umfang klar, ebenso das Verhalten der Eltern. Ganz klar wurde mir der Part der eingeschobenen Textstellen bis zum Ende nicht wirklich, aber er wurde auf jeden Fall gekonnt in Szene gesetzt. Das Buch ließ sich trotz meiner Kritik gut lesen und ich kann es euch auch empfehlen. Es ist eben anders als andere Jugendbücher ;)

 

 

 

Zum Autor

 

Julya Rabinowich, geboren 1970 in St. Petersburg, lebt seit 1977 in Wien, wo sie auch studierte. Sie ist als Schriftstellerin, Kolumnistin und Malerin tätig sowie als Dolmetscherin. Bei Deuticke erschienen Spaltkopf(2008, u. a. ausgezeichnet mit dem Rauriser Literaturpreis 2009), Herznovelle (2011, nominiert für den Prix du Livre Européen), Die Erdfresserin (2012) und Krötenliebe (2016). Mit Dazwischen: Ich veröffentlichte sie bei Hanser 2016 ihr erstes Jugendbuch. Es wurde u. a. mit dem Friedrich-Gerstäcker-Preis, dem Österreichischen Kinder- und Jugendbuchpreis und dem Luchs (Die Zeit & Radio Bremen) ausgezeichnet sowie unter die Besten 7 Bücher für junge Leser (Deutschlandfunk) gewählt. 2019 folgte ihr Jugendbuch Hinter Glas.

 

 

WERBUNG
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ab 14 Jahren

208 Seiten

ISBN 978-3-4462-6218-8

Preis: 16 Euro

erschienen bei https://www.hanser.de

Leseprobe https://www.hanser-literaturverlage.de/buch/hinter-glas/978-3-446-26218-8/

 

© Cover und Zitatrechte liegen beim Verlag

 

An dieser Stelle möchte ich mich noch recht herzlich beim Verlag für die Bereitstellung dieses Exemplars bedanken!