Rezension

Toxisch!

Geordnete Verhältnisse -

Geordnete Verhältnisse
von Lana Lux

Bewertet mit 4 Sternen

Schon in der Grundschule ist Philipp ein Außenseiter. Liegt es an seinen roten Haaren? An seiner Wut? An seiner unsteten Mutter, die ihn aufgrund ihrer Alkoholsucht bei ihrer katholischen Schwester unterbringen muss? An seiner generellen Abneigung den meisten Menschen gegenüber? Fakt ist allerdings, dass Philipp nicht gerne der Außenseiter ist. Er wünscht sich einen Freund. Und dieser Wunsch geht in Erfüllung, als die aus der Ukraine geflüchtete Faina neu in seine Klasse kommt. Eifersüchtig wacht er über die Freundschaft dieses für ihn so besonderen Mädchens. Auch als beide Jahre später nach einem Streit getrennte Wege gehen, bleibt sie sein Maß aller Dinge. Umso größer ist seine Freude, als sie wieder vor seiner Tür steht: Mittellos und schwanger. Natürlich hilft er ihr. Natürlich ist sie dankbar. Aber nach und nach rutschen die beiden in eine Dynamik hinein, die immer toxischer wird.

Durch diesen Roman kann man einfach so durchrauschen. Er liest sich weg wie nichts, unterhält wunderbar ohne jede Länge. Größtenteils ist das Lana Lux‘ speziellen Hauptfiguren geschuldet. Philipp ist ein extrem ambivalenter Charakter: Sehr eigen, eigentlich nicht wirklich sympathisch aber auch kein Unmensch. Sogar witzig manchmal. Faina fördert die besten Seiten in ihm zutage, für sie kann er großzügig, freundlich und bemüht sein. Und bei einer Kindheit wie seiner ist es kaum ein Wunder, dass er nicht ohne Macken davongekommen ist. Man möchte Mitleid haben, aber leicht macht er es einem nicht.

Faina wirkt ruhig und bedacht, ist fleißig und offen gegenüber neuen Menschen. Eine fatale Phase in ihren 20ern, in der sie sich komplett gehen lässt, wirft sie allerdings aus er Bahn. Sie wirkt erst relativ unbeschadet aber nach und nach deckt Lux auf, dass sie es nicht minder schwer hatte. Bei manchen Szenen mit ihren Eltern möchte man das Buch gegen die Wand pfeffern aus lauter Frust und Unbehagen! Traurigerweise fand ich sie und ihre Kindheit extrem realistisch.

Die Figuren sind also absolut gelungen. Die Dynamik zwischen Philipp und Faina ist on Point und es liest sich großartig. Der Knall am Ende der Geschichte ist logisch, trifft aber trotzdem hart. Warum also keine 5 Sterne?

Weil es eine Sache gibt, die mir einfach nicht passen mag, egal wie lange ich daran herumdenke. Das Ende hat die Geschichte für mich etwas kaputt gemacht. Was möchte Lana Lux damit sagen? Brauche ich eine scheiß Kindheit um toxisch zu werden? Muss ich von klein auf seltsam sein um eine bestimmte Tat zu begehen? Definitiv Nein! Philipps Absonderlichkeit in dieser Geschichte schmälert aber die traurige Normalität des Inhalts auf ein „Kein Wunder, der Typ war ja schon immer bekloppt.“ Eine Figur wie Philipp vereinfacht das Problem. Er ist „drüber“, also sind es auch seine Reaktionen und Aktionen. Und das zusammen mit dem Ende des Romans sitzt mir das einfach quer.

Trotzdem finde ich den Roman absolut lesenswert, besonders wenn man spezielle Figuren mag und gerne diskutiert und sich austauscht. Dafür eignet der Roman sich wunderbar! Ich werde mich gleich an das nächste Buch von Lana Lux wagen und bin gespannt, was das mit mir anstellt.