Rezension

Überbordende Zukunftsperspektiven

°C – Celsius -

°C – Celsius
von Marc Elsberg

Bewertet mit 3 Sternen

Schwarze Flugobjekte sind im chinesischen Luftraum Richtung Taiwan unterwegs und alle Welt erwartet den nächsten Krieg. Doch anders als erwartet will China nicht über Taiwan, sondern über das Weltklima richten. Das erkennt zunächst nur Fayola Oyetunde-Rabelt, eine Klimawissenschaftlerin bei der UNO. Ihre Erläuterungen verhindern einen spontanen Gegenschlag der westlichen Mächte. Trotzdem kommt es zu einer überbordenden Ereigniskette, die teilweise irritiert, unerwartete Kunstgriffe beinhaltet und die Leserschaft herausfordert. Wie bei Elsberg üblich, sind wieder unglaublich viele Charaktere beteiligt. 

Ich habe lange überlegt, was mir der Autor mit diesem Thriller sagen möchte, denn über weite Strecken habe ich das Gelesene nicht als Thriller, sondern eher als anspruchsvollen Roman empfunden. Neben dem Hauptthema Klimabeeinflussung geht es meinem Empfinden nach vor allem darum, uns den Spiegel vorzuhalten, in jedem von uns ein Bewusstsein zu schaffen, zu dem, was wir gerade tun, was es für andere bedeutet und was dadurch gegebenenfalls an unerwünschten Nebeneffekten entsteht. Es geht um unser Verhalten, Flüchtlingen gegenüber, um unsere Arroganz gegenüber China und den Schwellenländern. Der Westen glaubt immer noch Inhaber der Wahrheit zu sein, über andere hinweg diktieren zu können, wie es weitergeht. Dieser Glaube wird im Roman mehrfach erschüttert und das manövriert auch die Leserschaft ganz schön aus der Komfortzone. Ein weiteres wichtiges Thema ist Meinungsbildung und-beeinflussung sowie die Macht, die darin steckt. Im Verlauf fragt man sich, wer denn nun wirklich die Welt regiert? Spannend, welche Machenschaften im Hintergrund laufen, damit es zu bestimmten Handlungen kommt oder eben auch nicht.

Wenn ich mein Leseerlebnis rückblickend betrachte, fühlte es sich an wie die nächste Krise. Es begann mit Überforderung, ging über in eine Phase der Gewohnheit und endete ein Stück weit in Abstumpfung. Alles wurde begleitet von Unsicherheit. Meint Marc Elsberg das wirklich ernst? Habe ich das richtig erfasst und auch nichts übersehen? Im weiteren Verlauf kam noch Empfindlichkeit dazu. Mich störten plötzlich Dinge, die eigentlich nicht der Rede wert sind, wie ein bisschen aus Star Wars kopierte Technik. Es war Krise in Reinform. Ich hatte Mühe, den Überblick über die Haupthandlung zu behalten und die verschieden Nebenhandlungsstränge voneinander abzugrenzen. Das hat meinen Lesefluss immer wieder ausgebremst, was ich bei Thrillern nicht wirklich mag.

Thematisch fand ich Celsius trotzdem gut, einige Passagen habe ich auch wirklich gern gelesen. Ingesamt erschien mir der Roman allerdings zu zerstückelt, zu komplex, einfach schwer zu begreifen. Über weite Strecken hätte ich mir mehr Orientierung gewünscht. Dann hätte ich für das reine Textverständnis nicht so oft doppelt lesen und zurückblättern müssen. Wenn Marc Elsberg bewusst irritieren und seine Leserschaft auf die Probe stellen wollte, dann ist ihm das sehr gut gelungen. Wenn nicht, ist Celsius nicht sein bester Thriller.