Rezension

Ungewöhnliches Zusammentreffen zweier Reisender auf Abwegen

Die Dame mit der bemalten Hand - Christine Wunnicke

Die Dame mit der bemalten Hand
von Christine Wunnicke

Musa al Lahuri, Astronom des Herrschers von Jaipur, ist auf dem Weg nach Mekka. Unterwegs bringt er ein selbstgefertigtes Astrolabium zu einem Kunden nach Manbai und landet dabei auf der Insel Gharapuri. Carsten Niebuhr, ein deutscher Mathematiker und Astronom, befindet sich auf einer Forschungsreise nach Arabien. Hier soll er z.B. feststellen, an welcher Stelle des Roten Meeres das ägyptische Heer bei der Verfolgung des Volkes Israel ertrank. Aber alle seine Kollegen sind nach und nach verstorben, und Niebuhr gerät auf Abwege, landet in Bombay und besichtigt dort die Tempelruinen der Insel Elephanta.

Manbai/Mumbai ist Bombay, Gharapuri ist Elephanta. Als die beiden Reisenden hier aufeinandertreffen, ist die Verständigung nicht immer leicht. Zwar sprechen sie beide Ararbisch, doch nicht nur die Ortsbezeichnungen sind unterschiedlich. Selbst in ihrem gemeinsamen Fachgebiet, der Astronomie, trifft das zu: Auch wenn beide die wissenschaftlichen Flamsteed-Nummern zur Bezeichnung der Sterne verwenden, ist die Deutung verschieden - wo Niebuhr das Sternbild Kassiopeia sieht, ist für al-Lahuri nur ihre bemalte Hand zu sehen. Doch das Bemühen um Verständigung geben die beiden nicht auf. Und es geht dabei um mehr als Gegenstände:

"Wem oder was gilt deine Liebe?", fragt Musa. "Den Dingen", sagte Niebuhr. "Der Welt, glaube ich, gilt sie. All ihren Dingen. Einem gewissen ... Interesse an allem. Einer gewissen ... betrachtenden Neugier. Doch dafür werde ich nicht bezahlt."  - "Meine Liebe", sagte Musa, "gilt auch nicht der Mathematik. Sie gilt den Sprachen. Den Leuten, die sie sprechen, und dem, was sie sprechen, und wie sich alles zusammenreimt. Doch dafür bezahlt man mich auch nicht. Ich bin kein Shuka."

Sprache und Verständigung ist ein zentrales Thema des Buches, und hier gibt es köstliche Stellen, wenn die beiden Ausdrücke aus ihrer Muttersprache in eine andere Sprache übersetzen. Niebuhrs "Maulaffen feilhalten" wird zu "Affen des Mundes zu Markte tragen", und wenn Musa ein feuchtes Tuch braucht, ruft er auf Sanskrit: "Opfert ein Tuchgewirk blitzgeschwind, denn ich will es betauen!" Und so gibt es trotz aller Schwierigkeiten dann doch Verständigung. Gut auch, dass manches keine Worte braucht: Dass Niebuhr Fieberkrämpfe hat und dringend Hilfe braucht, ist auch ohne Sprache eindeutig.

Trotz aller kulturellen Unterschiede verständigen sich die beiden, verstehen sich und knüpfen eine Freundschaft. Und ich als Leser amüsiere mich nicht nur über das Sprachgewirr, sondern ich wäre auch gern dabei und würde die beiden sympathischen Männer gern persönlich kennenlernen. Das Gemeinsame trägt über die Unterschiede hinweg.

Das Buch steht auf der Nominierungsliste zum Deutschen Buchpreis 2020.

Kommentare

FIRIEL kommentierte am 13. Juli 2021 um 10:41

Puh. Zweimal ist mir der Computer beim Rezensieren abgeschmiert; ich habe also insgesamt drei Rezensionen geschrieben. Jetzt muss es genug sein, auch wenn ich hier nun einiges aus den beiden ersten Versionen vergessen habe...

katzenminze kommentierte am 13. Juli 2021 um 11:03

Oje, wie ärgerlich!

Du fandest es also eher gut? Ich finde immer noch, es klingt recht anstrengend. XD Vielleicht auch, weil ich nicht so richtig eine Story ausmachen kann.

FIRIEL kommentierte am 13. Juli 2021 um 15:10

Stimmt. Es hat keinen Handlungsstrang. Das mag ich eigentlich auch nicht so gern.