Rezension

Ungewohnt und intensiv traurig

Triceratops - Stephan Roiss

Triceratops
von Stephan Roiss

Bewertet mit 3 Sternen

Ein Buch, das kaum etwas direkt ausspricht. Die Sätze sind eine Aneinanderreihung von Metaphern - bisweilen absurd, aber in sich stimmig.

Ich war überrascht. Das Buch hat extrem kurze Kapitel, einen ganz eignen Stil, so viel Ungewohntes, dass ich mich erst einmal darauf einlassen musste. Bei der Kapitellänge fiel mir das sehr leicht. Ich fand die kurzen Abschnitte sehr angenehm zu lesen. Es macht die Geschichte abwechslungsreich und erlaubt häufige Verschnaufpausen von der intensiven Erzählung. Einer Erzählung, die kaum etwas direkt ausspricht. Die Sätze sind eine Aneinanderreihung von Andeutungen, Metaphern und Gedanken, die bisweilen in der Absurdität enden, dabei aber auf Dauer doch ein Bild zeigen. Ähnlich ist es bei den Personen im Buch. Auf keine passt das Adjektiv „normal“, aber was sie „unnormal“ macht lässt sich für mich nicht genau benennen.

Als nicht normal würde ich auch das Cover bezeichnen – im positiven Sinn. Das Cover ist toll. Es ist ungewöhnlich. Besonders die Haptik zieht mich in seinen Bann. Genau wie der Titel. Alleine um ihn aus drei Zeilen zusammenzusetzen, muss ich mich länger mit dem Buch beschäftigen. Und dann muss ich noch einmal eine Weile damit verbringen herauszufinden, was Triceratops bedeutet und dass genau ein solcher von oben auf dem Cover zu sehen ist. Dann habe ich so viel Zeit mit dem Cover verbracht und bin neugierig genug, um das Buch auch zu lesen. Beim Lesen erfahre ich dann auch, was hinter dem Titel steckt. „Der mit dem Nackenschild und den Hörnern rammt den Bösen und stieß ihn über den Rand des Tisches. Wir spielten am liebsten mit dem Dinosaurier mit dem Nackenschild und en Hörnern. Er aß nur Pflanzen, aber war unbesiegbar. Er war kompakt, schwer gepanzert, ein guter Krieger. Niemand konnte ihn in den Hals beißen, nichts konnte ihn umwerfen. Er stand fest auf der Erde“, beschriebt der Protagonist, der in seiner Einsamkeit von sich nur als wir spricht, auf Seite 62 den Triceratops, der damit in seiner Vorstellung ein Gegengewicht zu bösen Drachen darstellt. Alles sehr bildlich und mit verschleierten Hintergedanken.

Damit fasziniert mich die Erzählung, gleichzeitig stößt sie mich auch etwas ab. Sie ist so seltsam, tieftraurig und resigniert. Der Junge tut mir leid, gleichzeitig kann ich viele seine Handlungen nicht nachvollziehen. Ich frage mich, ob mit dem Protagonist schon immer etwas nicht stimmte oder ob seine Familie ihn zu dem gemacht hat, wer er ist. Eine Mutter, die immer wieder in die Psychiatrie muss, ihre Kinder schlägt und deren Liebe einfordert, als wäre es ihr Recht. Ein Vater, der bis auf seinen Bibelvernarrtheit sehr normal zu sein scheint, aber der seinen Kindern keine Last von den Schultern nimmt. Eine Schwester, die in verschiedenen Neurosen gefangen zu sein scheint. Eine Großmutter, die in ihrer resoluten, halbherzigen Art den Jungen noch die meiste Liebe und Beachtung zukommen lässt. Mich deprimiert das, gleichzeitig will ich wissen wohin diese merkwürdige Familie steuert.

Die Handlung um das Leben des Protagonisten herum erschließt sich mir nicht immer. Es geht wohl ums Verarbeiten. Darum zu verstehen und den Fluch von der Familie zu nehmen. Seine esoterische Tante hatte ihm gesagt, er sei als Einziger stark genug dazu. Dabei versucht der Protagonist doch auch nur mit seinen Zwängen zu leben. Er spricht von sich als „wir“ und kratzt sich blutig. Seine Tante lädt ihm nur noch mehr Verantwortung auf und treibt ihn noch mehr in die Einsamkeit. Wahrscheinlich macht sie alles nur noch schlimmer.

„Ungeklärt ob Einzelgänger oder Herdentier. Fossilfunde in Nordamerika. Ein vollständiges Skelett wurde noch nicht entdeckt. Der Triceratops war einer der letzten Dinosaurier. Er starb am Ende der Kreidezeit aus.“ Mit diesen für das Buch typischen bruchstückhaften Sätzen wird der titelgebende Saurier ziemlich am Ende, auf Seite 187, aus der Geschichte entlassen, und lässt mich mit Fragezeichen zurück. So wenig, wie ich aus dem bisherigen Buch schlau geworden bin, werde ich aus dem Schluss schlau. Wenn überhaupt wird es noch deprimierender und grausamer. Ich hätte mir wenigstens einen kleinen Lichtblick gewünscht. So schwebte während dem Lesen eine so düstere Stimmung über allem, dass ich nach dem Lesen erst einmal ein paar Minuten an die Sonne musste, damit sich meine Laune wieder hob. Das spricht sehr für die Intensität und Erzählstärke des Buches, aber es muss einem klar sein, wenn man sich auf die Geschichte einlässt.