Rezension

Unterhaltsamer Krimi in klassisch-britischem Stil

Arrowood - In den Gassen von London - Mick Finlay

Arrowood - In den Gassen von London
von Mick Finlay

Bewertet mit 4 Sternen

Historische Kriminalromane liegen im Trend. So überrascht es nicht, dass auch der schottische Autor Mick Finlay sein Krimidebüt „Arrowood – In den Gassen von London“, auf Deutsch im August beim Verlag Harper Collins als Taschenbuch erschienen, ins Jahr 1895 verlegt. Doch Finlay hat eine nette literarische Überraschung: Seine Hauptfigur, der Privatermittler William Arrowood ist gewissermaßen der „Antiheld“ einer Epoche, in der ganz London vom berühmten Meisterdetektiv Sherlock Holmes begeistert ist, jener von Arthur Canon Doyle geschaffenen Kunstfigur.

In Finlays Krimi erzählt uns Arrowoods Assistent Norman Barnett von den Ermittlungen seines Arbeitgebers. Deutliche Parallelen zu Holmes' Freund und Mitarbeiter Dr. Watson, der dessen Erfolge in der Zeitung rühmt, sind unverkennbar. Doch während Holmes von der Öffentlichkeit gefeiert wird und von der Polizei zu schwierigsten Kriminalfällen hinzugezogen wird, muss sich William Arrowood, ein arbeitslos gewordener Zeitungsreporter, mit eher zweitklassigen Fällen abmühen und für jene Auftraggeber arbeiten, die sich einen Holmes finanziell nicht leisten können.

Zu seinem großen Ärger ist Arrowood immer wieder gezwungen, sich mit Holmes vergleichen lassen zu müssen, spricht er diesem doch jegliche Genialität ab. Im Gegenteil: Er beschuldigt Holmes sogar, oberflächlich zu arbeiten und nur zufällig zu richtigen Ergebnissen zu kommen, während er, Arrowood, der doch die Theorien Darwins verinnerlicht hat, die Psyche aller am Fall Beteiligten durchleuchtet und Indizien sorgsam abwägt. Dies wisse niemand ausreichend zu würdigen, ist Arrowood betrübt.

Auch sein aktueller Fall scheint nicht geeignet zu sein, Arrowood berühmt zu machen, obwohl der anfangs noch einfach erscheinende Auftrag, einen vermissten jungen Franzosen zu finden, im weiteren Verlauf viele Geheimnisse birgt und die Zahl der Ermordeten wächst. Die Merkwürdigkeiten häufen sich und Arrowood entfernt sich immer mehr vom eigentlichen Auftrag, dass ihn sogar sein ergebener Assistent Barnett mahnt, darauf zurückzukommen. Doch es ist zu spät: Arrowood steckt mit seinen Ermittlungen längst in den Tiefen der Londoner Unterwelt, deren Verbindungen bis in höchste Regierungskreise reichen.

Mick Finlays schriftstellerisches Debüt ist eine unterhaltsame, locker geschriebene Lektüre in klassisch-britischem Stil, voller Zeitkolorit und Humor - mit interessanten Charakteren, die gerade wegen ihrer Makel so sympathisch sind. Auch sein William Arrowood ist nicht perfekt, also genau das Gegenstück zu Sherlock Holmes: Arrowood ist keine elegante Erscheinung, sondern recht korpulent, ist nicht wie sein in der Baker Street lebender Kollege wohlhabend, sondern bewohnt, in ärmlichen Verhältnissen in schlechter Wohngegend lebend, gemeinsam mit seiner Schwester Ettie einige Zimmer hinter einem Ladengeschäft.

Natürlich löst auch Finlays „Antiheld“ schließlich seinen stellenweise unübersichtlich wirkenden Fall durch Kombinationsgabe, wenn ihm auch gelegentlich zur eigenen Überraschung Zufall oder Schicksal zu Hilfe kommen. „Nobody is perfect“ gilt eben auch für William Arrowood und seinen Assistenten, der sich sogar manchmal verprügeln lassen muss. Aber genau dies macht sie beide uns Lesern so sympathisch. Wir dürfen uns wohl schon jetzt auf einen zweiten Band freuen, denn in Großbritannien erschien dieser bereits im Februar mit dem Titel „The murder pit“.