Rezension

Unterhaltung mit britischem Humor

Bretonische Sehnsucht -

Bretonische Sehnsucht
von Jean-Luc Bannalec

Bewertet mit 4 Sternen

REZENSION – Nicht vielen Serienschreibern gelingt es, ihre Leser mit jedem Buch aufs Neue zu überraschen. Kennt man die ersten, meint man, alle zu kennen. Ganz anders ist dies beim Schriftsteller Jörg Bong (58), der uns unter französischem Pseudonym Jean-Luc Bannalec seit 2012 in seinen im Jahresrhythmus erscheinenden, spannenden und zugleich amüsanten Romanen nicht nur seinen Commissaire Georges Dupin immer wieder neue Mordfälle aufklären lässt, sondern – und dies ist bei dieser Krimireihe viel interessanter – zugleich uns Lesern jedesmal aufs Neue an wechselnden Orten der Bretagne unter jeweils wechselnden Aspekten in die oft mystisch anmutende Kultur und Geschichte der Region, deren urwüchsige Landschaft und Natur und auch – wie sollte es in Frankreich anders sein – in die schmackhaften Geheimnisse der meist von Meeresfrüchten bestimmten bretonischen Küche einführt.

Muss der einst aus Paris in das Provinzstädtchen Concarneau südöstlich von Quimper im Département Finistère ans „Ende der Welt“ (finis terrae) strafversetzte Kommissar nun schon seit Jahren ermitteln, wird Dupin in dem kürzlich beim Verlag Kiepenheuer & Witsch veröffentlichten 13. Band dieser in der ihr eigenen Faszination nicht nachlassenden Krimireihe vom ständig nervenden Präfekten Locmariaquer sogar noch weiter an den äußersten Rand im Westen der Bretagne geschickt – auf die nur 16 Quadratkilometer kleine Insel Oeussant, auf dem nicht einmal 900 Menschen fern vom Festland als eingeschworene Gemeinschaft leben. Dort wurde ein Musiker an den Strand gespült, der sich zeitlebens mit dem keltischen Ursprung bretonischen Liedguts auf Ouessant befasst hat. War dies Unglücksfall oder doch Mord? Unterstützt von den Inspektoren Riwall und Kadeg macht sich Dupin eher widerwillig an die Arbeit. Denn diese Insel gleicht einer „Anderwelt“. Sie ist „ein entlegener, karger kleiner Granitfelsen im Atlantik, umgeben von Meerjungfrauen, Robben, Delfinen, Orcas, liebenden Leuchttürmen, den Elementen ausgeliefert, … auf dem Dunkles vor sich ging in diesen Tagen.“ Dort bestimmen noch Sirenen und Meerjungfrauen, keltische Druidinnen und Geschichten-Erzählerinnen das tägliche Leben und Denken. „Über Tausende Jahre fest verwurzelte keltisch-druidische Vorstellungen, Legenden, Zeremonien, Traditionen waren von den christlichen Missonaren im fünften, sechsten, siebten Jahrhundert übernommen und christlich umgedeutet worden. Sie waren zu mächtig gewesen, um sie abzuschaffen. Es hätte Revolten gegeben.“ Es ist ein Ort voller Mystik und Magie, der so gar nicht in die Welt des nüchtern analysierenden Kommissars passt.

Auf Ouessant kommt es nicht auf das Sichtbare, sondern auf das Unsichtbare an, wird Dupin ausdrücklich gewarnt. Doch dann tauchen nacheinander zwei weitere Tote an der Steilküste auf, bei denen der Arzt wieder nur Tod durch Ertrinken feststellt. Drei Unglücksfälle an zwei Tagen? Dupin steht vor einem Rätsel. Er beginnt mit der Ermittlung in einem keltischen Steinkreis, von dem Inspektor Riwall weiß: „Die Stätte ist rund siebentausend Jahre alt. Der älteste Steinkreis, den wir in Europa kennen, und der einzige, der dem Mond gewidmet ist und nicht der Sonne. … Der Kreis hier ist älter als der von Stonehenge.“

Es sind weniger die Mordfälle, die Bannalecs Krimis so interessant und einzigartig machen, sondern seine sehr plastische Schilderung der auf die Kelten zurückreichenden Geschichte, die bis heute in Legenden und im Brauchtum der Bretagne fortlebt. Deren Erzählung lässt Bannalecs neuen Krimi „Bretonische Sehnsucht“ fast zum Fantasy-Roman werden. Doch zum Glück holt der Autor, dem 2016 von der Region Bretagne der Titel »Mécène de Bretagne« (Schutzpatron der Bretagne) verliehen wurde, uns Leser mit seiner begeisternden Beschreibung der urwüchsigen Naturlandschaft auf Ouessant immer wieder aus dieser keltischen Fantasiewelt zurück auf den felsigen Boden der kargen Insel. Vielleicht mag mancher Leser urteilen, dass Bannalec in seinem neuen Band „Bretonische Sehnsucht“ den Kriminalfall etwas hat schleifen lassen, so dass es doch gelegentlich an Spannung mangelt. Aber die „Sehnsucht“, in diese faszinierende Region Frankreichs möglichst bald reisen zu wollen, wird er wie mit den international erfolgreichen zwölf bereits verfilmten Bänden bei seinen Lesern auch mit seinem 13. Band wieder aufs Neue entfachen.