Rezension

Verwirrt im Zahlenlabyrinth

Dreizehnfurcht -

Dreizehnfurcht
von Wieland Freund

Bewertet mit 3 Sternen

Glückszahlen und Unglückszahlen sind ein weit verbreiteter Aberglauben. Während man in China wegen der ähnlichen Schreibweise zum Wort Tod vor allem die 4 fürchtet, ist in Europa die 13 besonders verrucht. Dieser Glaube soll bis auf den Beginn der christlichen Zeitrechnung zurückgehen, denn Judas als 13. Gast des letzten Abendmahls hat Jesus verraten. Ich habe noch nie kontrolliert, ob es in Hotels oder Flugzeugen wirklich keine Nummer 13 gibt und kann mir kaum vorstellen, dass das immer noch gängige Praxis ist. Für Moritz ist die Furcht vor der Zahl 13 allerdings blanke Realität. Er hat eine regelrechte Phobie entwickelt, die er mit einer zahlenbasierten Klopftechnik in Schach zu halten versucht. Das läuft aber weniger gut. Vor lauter Klopfen und Wiederholungen des Klopfens kann er keinen normalen Job ausführen und steht vor der Zwangsräumung seiner Wohnung. Ein letzter Ausweg ist das Angebot eines komischen Kerls mit dem seltsamen Namen Veil Wallasch außerhalb von Berlin, für den Moritz auf ein altes, leerstehendes Gästehaus aufpassen soll. Das Haus kommt Moritz Furcht vor der 13 entgegen, es hat kein Zimmer mit der gefürchteten Nummer. Doch irgendetwas ist dennoch seltsam an ihm. Nachts scheint es dort zu spuken und Veil Wallasch hält ihm einen ganz merkwürdigen Vortrag über alternative Orte, die sich der modernen Technik widersetzen. Als Moritz im Gästehaus plötzlich vor einer Zimmertür mit der Nummer 13 steht, nimmt er seinen ganzen Mut zusammen und geht durch diese Tür. Er landet in einer Welt, in der scheinbar die Zeit vor einigen Jahrhunderten stehen geblieben ist und in der die Zahl 13 besonders verehrt wird. Eigentlich keine gute Umgebung für jemanden mit der Dreizehnfurcht.

Und damit beginnt mein Problem mit der Geschichte. Die Handlung spielt vor allem in der Dreizehnwelt. Ein 13. Bezirk von Berlin, der sich irgendwie dem Lauf der Zeit und dem technischen Fortschritt widersetzt und seine Verbindung zur übrigen Welt gekappt hat. Es existieren nur noch wenige Orte des Übergangs und die werden von Oberst Falke und seiner Abteilung 13 sorgsam überwacht. Moritz‘ Übertritt bringt eine Reihe von Ereignissen in Gang, die für ordentlich Veränderung im alten, verborgenen Berlin sorgen. Dieses alte Berlin ist höchst interessant. Es scheint in einer Zeit stehen geblieben zu sein, bevor die Elektrizität Teil des Alltags wurde. Ich habe Fontanes Berlin vor Augen, denn die gesellschaftliche Rollenverteilung ist auch auf dem Stand von vor der Industrialisierung. Frauen haben nichts zu sagen im alten Berlin. Die Männer beherrschen das Geschehen und bestimmen den Fortgang der Geschichte. Wieland Freund will sich allerdings nicht so richtig in seine Karten gucken lassen. Er enthüllt kaum historische Details und erklärt an keiner Stelle, wie dieses Zeit-Phänomen zustande kam und ob es sich nur auf Berlin beschränkt oder möglicherweise die gesamte Welt umfasst. Mein großer Kritikpunkt hängt aber an der Figur des Moritz‘. Ich verstehe nicht, was der Autor mit ihm bezwecken wollte. Er hat Angst vor der 13 und soll sich nun in einem Land zurechtfinden, das die 13 verehrt. Natürlich fühlt er sich nicht sonderlich wohl und ist zudem vielen Bewohnern als Vertreter der modernen Welt ein Dorn im Auge. Es scheint fast, als wäre Moritz nur für den Einstieg in die Geschichte benutzt worden und dann hatte der Autor keine Lust (oder Idee) mehr, sich weiter mit der Entwicklung seiner Figur zu befassen. Alles in allem ist mir die Story zu konstruiert und unausgewogen. Nach den gut 440 Seiten habe ich mehr Fragen als zu Beginn der Lektüre. Über den etwas spröden Schreibstil könnte ich noch hinwegsehen, doch auch der scheint mit Absicht so künstlich antiquiert zu sein, um die Handlung zu stützen. So bin ich wirklich etwas ratlos mit diesem Roman.