Rezension

Viel Privates, wenig Krimi

Treuetat - Elke Pistor

Treuetat
von Elke Pistor

Bewertet mit 3 Sternen

»Das Mädchen liegt mit offenen Augen in den Armen seiner Mutter auf dem Boden und schaut unverwandt auf das Kind vor dem Fenster. Das Kind starrt zurück, wartet auf ein Blinzeln, eine Regung. Nichts. Nur die dunkelrote Lache neben dem Ohr des Mädchens breitet sich aus. Wird größer und größer. Der Mann und die Frau liegen so still wie das Mädchen. Das Lachen ist aus ihren Gesichtern verschwunden. Das Kind öffnet den Mund, will schreien, aber es bleibt stumm. Gebannt von dem Rot, den stillen Augen, der dunklen Flecken auf dem Holzboden, die sich immer weiter ausbreiten und ineinanderfließen.«

Kommissarin Verena Irlenbusch und ihre Kollegen Christoph Todt und Leonie Ritter können sich über mangelnde Arbeit nicht beklagen: Zuerst stirbt ein Journalist, der zuvor eine Morddrohung erhalten hatte, bei einem mysteriösen Autounfall. Kurz danach wird eine Fußpflegerin in ihrer Praxis ermordet aufgefunden und eine Archivarin in der Bibliothek. Drei Fälle, die auf den ersten Blick nichts miteinander zu tun haben – oder vielleicht doch? Bei seinen Ermittlungen wird das Team auf ein überraschendes Geflecht von Verbindungen stoßen und einem gehüteten Familiengeheimnis in die Vergangenheit folgen.

 

Dieser Krimi hatte mich von der Anlage des Falls her sehr interessiert. Beim Lesen hatte ich aber das Gefühl, dass die Krimihandlung zu kurz kommt und dass es sich vorrangig um die diversen Sorgen und Probleme der Ermittler dreht. Ich mag es ja, wenn die Charaktere menschlich wirken und mit menschlichen Problemen zu kämpfen haben, aber hier empfand ich diesen Kampf als zu umfangreich. Ich fasse mal zusammen: 

Verena kümmert sich um ihre Großmutter, die unter Alzheimer leidet. Mittlerweile ist sie mit der Betreuung hoffnungslos überfordert. Zudem entdeckt sie, dass ihr Großvater im Nazi-Deutschland eine ganz andere Rolle spielte als die, von der ihr ihre Großmutter immer erzählt hatte.

Christoph erlitt ein Trauma nach dem Suizid seiner Ehefrau. Noch immer hat er dieses nicht überwunden, soll sich aber nun um seine kleine Tochter kümmern und fürchtet, damit nicht zurechtzukommen.

Und Leonie lag nach einem Motorradunfall im Koma. Die Linkshänderin hat immer noch mit Bewegungseinschränkungen zu kämpfen, muss auf rechts umschulen, lernen, mit rechts zu schießen. Stundenweise soll sie nach langer Krankheitspause nun die Arbeit wieder aufnehmen. Kann sie es mit ihren Einschränkungen schaffen?  

 

Ständig zweifeln alle an sich und sorgen sich, den privaten Anforderungen nicht gewachsen zu sein. Ihre Gedanken sind sehr häufig bei privaten Dingen. Das ist verständlich, aber der verbleibende Raum für die Ermittlungen wird immer geringer. Der Autorin lag womöglich sehr daran, den dauernden Zwiespalt zu zeigen, den jeder kennt, der sich neben der Arbeit noch um Kinder, alte Eltern oder manchmal sogar um beides kümmern muss. Das kam auch richtig gut raus, der Krimi wurde aber dadurch zur Rahmenhandlung.

 

Die Spannung hielt sich für meinen Geschmack in Grenzen. Die Auflösung war stimmig, überraschte mich aber nicht. Was das Privatleben der Ermittler angeht, wird am Ende ein fieser Cliffhanger aufgebaut, der nahelegt, dass sich ein weiterer Band anschließen wird.

 

Fazit: Interessant, aber der Schwerpunkt liegt auf den persönlichen Problemen der Ermittler, der Krimi wird zur Rahmenhandlung.