Rezension

Wahrheit oder Fiktion

Das Philosophenschiff -

Das Philosophenschiff
von Michael Köhlmeier

Bewertet mit 5 Sternen

Dieses Buch hat mir gut gefallen, obwohl oder gerade weil es so anders war, als ich es erwartet hatte. Der Autor selber wird von einer fiktiven Person aufgefordert ihrer Erzählung über einen Teil ihres Lebens zu lauschen und aufzuzeichnen. Soweit so gut - es war die 100jährige Architektin Anouk Perdeman-Jacob, die diese Bitte an Köhlmeier richtet. Ich muss sagen, ich hatte bisher noch nichts von diesen "Philosophenschiffen" gehört und fand die Erklärungen, die ich dazu in diesem Buch bekam, sehr interessant. Die Geschichte, die hier erzählt wird, hat teilweise wahre geschichtliche HIntergründe - Flucht und Ausweisung bestimmter Personen aus Russland beginnend in den 1920er Jahre, die Zeit der Bolschiwiki usw.- aber auch fiktive Elemente, die manchmal vom Leser erkannt werden können und manchmal wahrscheinlich einfach nur zu seltsam sind, um wahr zu sein. Aber auch da kann man nicht immer unterscheiden. Aber ich fand das Buch mit den Handlungen sehr interessant. Die Lebensgeschichte von Anouk ist eine sehr Spezielle und man erlebt diese aufregenden Zeiten anhand ihrer Beschreibung ganz gut. Man sieht Dinge aus den Augen der Betroffenen und dadurch wird diese Zeit ganz anders wahrgenommen. Man ist betroffener und erlebt auch die Not der Menschen hautnah mit. Es ist eine sehr traurige Geschichte und ich hätte gerne mehr und intensiver über das Leben dieser Frau erfahren. Aber sie möchte ja nur diesen Teil erzählen und sie hat das alles sehr genau geplant. Denn der Schriftsteller wird hier eigentlich herausgefordert und es ist eine seltsame Situation für ihn. Die Art und Weise, wie die beiden miteinander umgehen, ist schon außergewöhnlich. Aber mir haben ihre Treffen und ihre Gespräche sehr gut gefallen. Auch die Nebenschauplätze, die durch die Erlebnisse von Michale Köhlmeier bei der Recherche und den daraus resultierenden Handlungen entstehen, sind sehr interesssant. Das Buch ist sicher nicht immer einfach und man fragt sich manchmal, was das jetzt alles miteinander zu tun hat. Oder wie es immer so schön heißt: "Was will der Autor uns damit sagen?". Es ist aber ein sehr lesenswertes Buch und Langweile kommt auch nicht auf. Es lässt sich sehr flüssig und gut lesen. Die Erzählung der Vergangenheit wird immer wieder durch die eingeschobenen Erklärungen oder dem Aufkommen neuer Gedankengänge unterbrochen. Dadurch bekommt man immer mal wieder einen neuen Blick auf die Architektin wie auch auf den Autor selber. Ich fand das alles sehr spannend und dann war ich überrascht, als das Ende plötzlich da war. Meine Gedanken waren allerdings noch nicht damit fertig und das Buch lässt einen noch eine Zeitlang nicht los. Tja, hier kommt man wirklich ans "nach Denken".

Ich kann das Buch mit einem guten Gewissen weiterempfehlen und ich werde mich jetzt auch mal mit den anderen Büchern des Autors beschäftigen.