Rezension

Wenn Hoffnungslosigkeit tiefe Tunnel gräbt ...

Die Mitternachtstür - Dave Eggers

Die Mitternachtstür
von Dave Eggers

Bewertet mit 4.5 Sternen

Gran wollte nicht nach Carousel ziehen …“  In seiner neuen Schule in Carousel schüttelt der schmächtige Zwölfjährige seinen sperrigen Vornamen  Granite/Granit kurzentschlossen ab und nennt sich von nun an Gran. Weil sein Vater als Automechaniker keine Arbeit findet, zog Grans Familie vom Atlantik zurück in den hügeligen Heimatort der Familie Flowerpetal. Doch auch hier haben die Menschen zu wenig Geld, um sich überhaupt ein Auto zu leisten, so dass der Vater nicht mehr als Gelegenheitsjobs findet. Grans Mutter sitzt seit seiner frühen Kindheit im  Rollstuhl und hat irgendwann aufgehört zu zeichnen. Gran war bereits 2 Wochen lang zum Unterricht gegangen, als seine Lehrerin Ms. Rhapsod endlich ihren neuen Schüler entdeckt. Vielleicht hätte er sich doch besser Grant nennen sollen, um für andere nicht unsichtbar zu sein. Im Hausmeister El Duque, einem ehemaligen Jockey, findet Grant eine verwandte Seele. El Duque hat früher Holzpferde für Karussells geschnitzt, der Ort Carousel war damals berühmt für seinen Karussellbau.   

Seinen neuen Wohnort findet Gran höchst sonderbar. Die Häuser neigen sich, als würden sie im nächsten Moment den Berg hinab rutschen, im Ort läuft eine sonderbare Plakatkampagne gegen eine angebliche Elchplage und dann entdeckt er auch noch Catalina, die mit einem merkwürdigen Gegenstand in der Hand in einem Spalt im Gelände zu verschwinden scheint. Während das erste Haus bereits eingestürzt ist, beraten die Erwachsenen noch aufgebracht darüber, ob sie zur Vergrämung der Elche einen Hubschrauber anschaffen sollten. Die Unterhöhlung des Untergrunds scheint sich inzwischen weit über den Ort hinaus auszubreiten, als würde ein riesiger Wurm einen Tunnel unter unserer Welt graben.  Im Kampf gegen den gierigen Untergrund erweist sich Grans geringe Größe als Vorteil. Doch die eigentliche Ursache, die Hoffnungslosigkeit der Menschen, müssen die Einwohner von Carousel erst noch begreifen. Grant erfährt indessen, dass Catalina zu den berühmten Liftern gehört und dass des Rätsels Lösung in der Geschichte seiner Großeltern liegen könnte …

In einfachen, kurzen Sätzen und sehr kurzen Kapiteln mit viel Zwischenraum erzählt Dave Eggers von der Bewährungsprobe eines außergewöhnlich kleinen Zwölfjährigen. Angenehm fand ich, dass englische Begriffe in der Geschichte erhalten bleiben und nicht übersetzt werden. Eingebettet sind die Abenteuer in den wirtschaftlichen Niedergang einer Region, der sich wie Ringe im Wasser immer weiter ausbreitet. Schräge Ereignisse beschreibt Eggers in höchst nüchternem Ton. Dass man sich über nicht vorhandene Elche ereifert, während das eigene Haus in einem riesigen Loch verschwindet, ist doch völlig logisch – oder? Die Geschichte wirkt, indem ihre Leser die Zusammenhänge noch vor Gran ahnen.

Ein skurriles Buch mit pädagogischer Botschaft, das auch ungeübte (männliche) Leser begeistern kann.