Rezension

Wo die Freiheit wächst

Wo die Freiheit wächst - Frank M. Reifenberg

Wo die Freiheit wächst
von Frank M. Reifenberg

Bewertet mit 5 Sternen

Köln 1942: Eigentlich hätte die Lene Meister mit ihren sechzehn Jahren ihr ganzes Leben noch vor sich, wären da nicht die Bomben, die Angst und die stetigen Entbehrungen des Alltags. Gemeinsam mit ihren Geschwistern und ihrer Mutter kämpft sie jeden Tag erneut um ihre Existenz. Während andere, so auch ihre Mutter, mit zunehmender Dauer des Krieges immer mutloser werden, wächst Lenes Widerwillen gegen die Regierung durch Hitler jeden Tag mehr, nicht zuletzt auch, weil der Krieg auch droht, ihren geliebten großen Bruder Franz zu nehmen, der oft an vorderster Front seinen Dienst für den Führer leisten muss. Als Lene eines Tages auf Erich trifft, verliert sie nicht nur promt ihr Herz an ihn, sie gerät auch schon bald in ernstzunehmende Schwierigkeiten, denn Erich ist gegen das System. Statt treu Parade zu stehen und scheinbar schwachsinnigen Befehlen zu folgen, möchte er lieber sein eigenes Ding machen. Er möchte seine eigenen Sachen tragen und nicht die Uniform der HJ und auch die Lieder, die sie dort singen, sagen ihm nicht zu, denn Erich hat seinen eigenen Kopf. Angestachelt von der anfänglichen Geheimniskrämerei ihres Freundes, gerät Lene immer tiefer in die Sache hinein, denn Erich ist ein Edelweißpirat. Scheinbar harmlos für die einen, wird ihr Drang nach Freiheit schnell zum Problem, denn die Geheime Staatspolizei hat bereits ein Auge auf sie geworfen...

Mit "Wo die Freiheit wächst" ist dem Autoren Frank Maria Reifenberg ein beklemmender und zugleich fesselnder Roman gelungen, welcher mich von Anfang bis Ende überzeugen konnte. In Briefform gehalten, wird die Handlung im stetigen Perspektivwechsel erzählt, was sie in ihrer Gesamtheit noch authentischer erscheinen lässt. Obwohl die Charaktere und ihre Geschichten fiktiv sind, gibt es dennoch Parallelen zu realen Personen und ihren Schicksalen, welche zu dieser doch sehr dunklen Zeit gelebt haben. Oft beklemmend und zugleich in gewisser Weise unvorstellbar taucht der Leser in die einzelnen Schicksale der Protagonisten ein, erfährt ihre Gefühle und auch die Gründe für deren Handeln. Während Lene anfänglich noch hin und hergerissen scheint zwischen Optimus und Skepsis dem Führer gegenüber, ist ihr jüngerer Bruder Kalli überzeugt von dessen Qualitäten als Staatsoberhaupt und folgt dessem System bedingungslos, was im Laufe der Zeit die familiäre Situation zunehmend belastet. Franz, der ältere Bruder der Beiden, leistet an der Front seinen Dienst fürs Vaterland, doch mit zunehmender Zeit stumpft auch er langsam ab, doch die Aktivitäten seiner Schwester in der fernen Heimat Köln bereiten ihm zunehmend Kopfzerbrechen. Sein Schicksal hat mich oft sehr berührt und auch stellenweise verzweifeln lassen, da ich bis zum Schluss mitgefiebert habe, ob er es wohl je wieder in seine Geliebte Heimat schaffen wird. Wie viele junge Männer hat er damals sinnlosen und menschenverachtenden Befehlen folgen müssen, um die eigene Haut nicht zu riskieren. Rosemarie, Lenes beste Freundin, erlebt fernab ihrer Heimat Köln den Krieg scheinbar wie in einer anderen Welt, von Bomben und dem damit einhergehenden Elend ist sie weitestgehend verschont geblieben, dennoch sind ihre Briefe an die Geschwister Lene und Franz für beide Trost und besonders für Lene, Mahnung zur Vernunft zugleich. Auch aus der Sicht von Erich erfährt der Leser einiges, was ihn als Protagonisten ebenfalls greifbarer und authentischer rüberkommen lässt. Da ich zugegebenermaßen bislang recht wenig Kenntnis über die Edelweißpiraten und deren Schicksal hatte, wusste ich nicht genau, was mich erwarten würde. Jetzt jedoch kann ich sagen, dass es sich hierbei um mutige und mitunter auch tapfere junge Menschen handelte, die sich in ihrem Drang nach Freiheit und Selbstbestimmung trotz großer Gefahr durch das System nicht den Mund haben verbieten lassen, was dem Autoren Dank ausführlicher Recherche und seinem fesselnden Schreibstil perfekt gelungen ist, zu vermitteln. Da die Geschichte auch heute noch aktuell ist und das Wirken dieser tapferen, jungen Menschen nicht in Vergessenheit geraten darf, ist dieses Buch nicht nur für junge Leser geeignet, sondern ebenfalls für Erwachsene. Die äußere Gestaltung wirkt relativ schlicht, was dennoch gut die Ernsthaftigkeit des Inhaltes unterstreicht. Auch die Darlegung der Briefe sowie die Unterteilung in einzelne Abschnitte verleihen dem Buch Struktur, welche es dem Leser vereinfacht, der Handlung zu folgen. Auch die am Ende angefügten Informationen zur Thematik vermitteln abschließend noch zusätzliches Wissen über das dunkelste Kapitel der deutschen Geschichte, was mir als Leserin zusätzlich entgegenkam. Insgesamt ist Frank Maria Reifenberg mit seinem Werk eine ergreifende und zugleich sehr beklemmende Geschichte gelungen, welche ich so schnell nicht mehr vergessen werde.