Rezension

Zu viele Themen für knappe 400 Seiten

Der Junge, der mit dem Herzen sah
von Virginia Macgregor

Bewertet mit 3 Sternen

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Milo ist neun Jahre alt und hat eine seltene, aber dramatische Augenkrankheit. Das macht ihn zum Außenseiter. Noch dazu hat sein Vater die Familie verlassen und seine Mutter will die Urgroßmutter ins Heim geben. Milo, dessen heißgeliebtes Haustier ein Minischweinchen ist, setzt alles daran, seine Gran wieder nach Hause zu holen.

 

Es ist sehr schwer, dieses Buch zu rezensieren. Die Autorin hat für meinen Geschmack zu viel ins Buch gepackt und dabei einige wichtige Dinge übersehen. Sie schneidet die Themen deshalb nur an, ohne eines davon wirklich tiefgehender zu behandeln. Es geht bei ihr um den Umgang mit alten Menschen, Trennungskinder, Liebeskummer, Flüchtlinge aus Syrien, seltene und schwere Krankheiten, Machtmissbrauch, investigativen Journalismus, Essprobleme und noch so einiges mehr. Da bleiben die Figuren automatisch recht stereotyp und entfalten sich nicht so, wie sie hätten können.

 

Noch dazu ist Milo zwar einerseits ein Junge, den man gern haben muss, aber anderseits auch sehr egoistisch und nur auf sich, sein Schweinchen und die Gran fixiert. Andere liebt er nicht, andere kann er nur dann akzeptieren, wenn sie genau das tun, was er will. So wundert es dann nicht wirklich, dass er keine Freunde hat. Er beschreibt seine Krankheit oft so, dass er durch ein Nadelöhr sieht. Und so reagiert er auch: er hat einen Tunnelblick und beachtet links und rechts nicht, was um ihn geschieht, geht stur seinen Weg, ohne Rücksicht auf Kollateralschäden.

 

Milos Mum Sandy ist mit sich selbst überfordert, mag sie sich aufgrund ihrer Speckröllchen selbst nicht, zumal ihr noch der Mann mit seiner Sekretärin davongelaufen ist und eine neue Familie gegründet hat. Ihr Schönheitssalon läuft nicht und die Versorgung von ihrem kranken Sohn und der 93jährigen Urgroßmutter ihres Exmannes überfordern sie. Lou spricht seit 63 Jahren nicht mehr, seit der Vater ihres Sohnes gestorben ist. Andy, Sandys Ex, kümmert sich um nichts, als seine neue Familie. Al, ein Verwandter aus Schottland, zieht in Grans Zimmer und geht seltsamen Dingen nach. Und Tripi, der Flüchtling aus Syrien, versucht unsichtbar zu sein, weil er illegal da ist. Dann noch die grundböse Heimleiterin, die kuschende Auszubildende im Pflegeheim und der undurchsichtige Heimbewohner Petros – das überfüllt dieses Buch ein wenig, obwohl jedes einzelne Thema an sich schon viel zu kurz angeschnitten wird.

 

Der deutsche Titel, der stark auf den kleinen Prinzen anspielt, impliziert einen Jungen, der viel Liebe verschenkt und verteilt. In meinen Augen macht Milo das nur sehr sporadisch: er liebt sich, seine Gran und Hamlet, sein Schweinchen. Alle anderen benutzt er für mein Verständnis nur.

 

Der Stil ist schlicht und lässt sich leicht lesen. Jedes Kapitel ist mit dem Namen der Person versehen, aus deren Perspektive gerade erzählt wird. Die Sprache ist jedoch immer, als wäre es die Sicht eines Kindes. Immer wieder zieht der Spannungsbogen ein wenig an, es kommt zu mehr oder weniger überraschenden Wendungen und die Kürze der Kapitel regt zum steten Weiterlesen an.

 

Leider ist das Ende dann ein wenig übereilt und wirkt so, als sei das Papier ausgegangen und deshalb schnell ein kurzes Ende gefunden worden. Es ist relativ vorhersehbar, aber es passt zur Story.

 

Es ist ein zärtliches, stilles, sanftes Buch, das bewegt und zum Nachdenken anregt, wenn man es zulässt. Aber es entspricht nicht dem, was die reißerischen Werbesprüche versprechen.  Und es wird sich selbst nicht ganz gerecht. Deshalb kann ich, auch wenn es mir im Herzen weh tut, nur drei Sterne vergeben. Die Grundidee war sehr schön, aber überzeugt hat mich das Buch am Ende dann doch leider nicht.

★❀★❀★ (ړײ)¸¸.•´¯`»