Rezension

zwei Frauengenerationen auf dem Land in Norddeutschland

Nebenan -

Nebenan
von Kristine Bilkau

Bewertet mit 4 Sternen

In diesem Roman geht es um Menschen. Menschen, die nebenan leben, im weitesten Sinn Nachbarn. Nicht nur Nachbarn, die nebenan wohnen, sondern auch solche, die den Lebensweg kreuzen. Hauptprotagonistinnen sind Julia, Ende 30, und Astrid, Anfang 60. Julia ist Keramikerin, Astrid Ärztin. Beide arbeiten in der ihrem Wohnort auf dem Land am Nord-Ostsee-Kanal nahe gelegenen Kreisstadt. Diese Kreisstadt ist von Verfall gekennzeichnet: Das Kaufhaus wird abgerissen, alteingesessene Läden schließen. Es gibt fast nur noch Imbissläden, Billigshops und Handyshops. Das ist trostlos und deprimierend.

Auf dem Dorf, wo beide wohnen, sieht es nicht viel besser aus. Julia ist mit ihrem Mann Chris erst vor einigen Monaten in ein kleines, von Efeu überwuchertes Haus gezogen. Sie wollten der Stadt und dem aufgesetzten Lifestyle dort entfliehen. Nebenan ist eine großes gelbes Klinkerhaus, das verlassen dasteht und in dem vorher eine Familie mit zwei Töchtern und einem Sohn gewohnt hat. 

Astrid hat in der trostlosen Kreisstadt eine Hausarztpraxis. Ihr Mann ist seit einigen Jahren in Rente und auch sie denkt daran, ihre Praxis aufzugeben. Julia will unbedingt schwanger werden und unterzieht sich einer anstrengenden Kinderwunschbehandlung. Astrid denkt über das Alter nach. Sie sorgt sich um ihre 80jährige Tante Elsa. So beginnt der Roman.

Die Gegenüberstellung von zwei Frauengenerationen hat mir gefallen. Deren Lebensumstände, Sorgen und Gedanken sind liebevoll und nachvollziehbar geschildert und mit schönen, teils melancholischen aber nie kitschigen Beschreibungen erzählt. Es ist ein stiller Roman ohne spannende Handlung. Astrid und auch Julia phantasieren über das Leben ihrer Nachbarn. Julia über das Schicksal der einst im gelben Klinkerhaus wohnenden und jetzt verschwundenen Familie. Astrid malt sich auch so einiges in ihrer Phantasie aus: Wie starb eine alte Dame, deren Tod sie als Ärztin zu Anfang des Romans in einem nächtlichen Einsatz festgestellt hat ? Von wem kommen die anonymen, abwertenden Briefe, die sie in ihrer Praxis erhält ? Auch in ihrer Nachbarschaft steht das Haus ihrer Freundin Marli, die sie seit Jahrzehnten kennt, leer. Marli will verkaufen, sie lebt jetzt in einer WG, was sind ihre Beweggründe ? 

In diesem Roman wird vieles irgendwie angerissen und in der Phantasie von Julia und Astrid weitergesponnen. Bis zum Schluss bleibt alles unaufgelöst und vage und bleibt der Phantasie des Lesers überlassen. 

Fazit: Eigentlich mag ich Romane, die keinen rasanten Plot haben und den Alltag ihrer Protagonisten in stimmungsvollen Bildern erzählen. Letzteres ist hier der Fall. Besonders gefallen haben mir die Szenen, in denen Astrid ihrer großen Leidenschaft, dem Schwimmen, nachgeht. Herrlich, die Schilderungen, wie sie ins Wasser eintaucht, ihre Bahnen zieht und die Kühle des Wassers und die Bewegung genießt. Aber dieses Vage-Bleiben am Schluß hat mir dann doch nicht so gut gefallen und daher vergebe ich "nur" 4 Sterne. Für Freunde leiser, tiefgründiger Literatur sehr zu empfehlen.