Rezension

Wie gut kennen wir unsere Nachbarn?

Nebenan -

Nebenan
von Kristine Bilkau

Bewertet mit 5 Sternen

Der Titel deutet bereits den engen Radius an, in dem sich die Geschichte abspielt. Umso tiefer tauchen wir in einen kleinen Ort am Nord-Ostsee-Kanal, in den Kosmos der Protagonistinnen und ihre Gefühlswelten ein.

Da ist Julia, eine Keramikerin, die aus Hamburg dorthin gezogen ist und sich nichts sehnlicher wünscht als ein Kind. Die Ärztin Astrid ist in dem Ort aufgewachsen und sorgt sich um ihre alternde Tante, die gegenüber von Julia wohnt. Die beiden Figuren verbindet nicht nur die räumliche Nähe, sondern auch die Sorge um eine Familie nebenan, die seit mehreren Monaten verschwunden ist. Julia steigert sich immer mehr in Fantasien hinein, um sich von ihrer eigenen Krise abzulenken, während Astrid versucht, die einstige Vertrautheit mit ihrer Nachbarin wiederherzustellen.

Viel passiert in diesem Roman nicht, doch die scharfen Beobachtungen der Autorin und ihre einnehmende Sprache zogen mich immer mehr in den Bann. Aktuelle Themen wie der Selbstinszenierungswahn auf Instagram oder die Plastikflut fügen sich mühelos in die Handlung. Der Fokus liegt aber vor allem auf dem Wunsch der Frauen nach Nähe und Verbundenheit einerseits und privaten Rückzug andererseits und der schwierigen Gratwanderung, am Leben anderer teilzuhaben ohne sich zu sehr einzumischen. Nach „Die Glücklichen“ und „Eine Liebe, in Gedanken“ hat mich auch der dritte Roman von Kristine Bilkau begeistert und hallt lange nach.