Rezension

Zwei schillernde Figuren aus dem Rokoko treffen zusammen

Verführung - Tanja Kinkel

Verführung
von Tanja Kinkel

Tanja Kinkel erzählt den Lebensweg von Angiola Calori, die von der Musik, der Oper und dem Gesang so fasziniert ist, dass sie unbedingt an großen Opern singen möchte. Frauen dürfen nicht singen, die Frauenrollen werden von Kastratensängern übernommen. Angiola lernt einen großen Kastratensänger kennen und lieben. Sie flieht mit ihm und beginnt eine Ausbildung als Sängerin. Dazu muss sie in die Rolle eines Kastraten schlüpfen. Als Angiola Casanova begegnet, verliebt sie sich in ihn. Casanova ahnt, dass Angiola eine Frau ist.

Tanja Kinkel passt sich sprachlich der Zeit an, in der die Geschichte spielt, Anfang des 18. Jahrhunderts. Sie erzählt auf sprachlich sehr hohem Niveau. Insbesondere die Dialoge zwischen Angiola und Casanova sind erwähnenswert. Die beiden bieten sich unglaublich gute Wortgefechte.

Tanja Kinkel teilt diesen Roman in 4 große Teile: Teil 1 Angiola, Teil 2 Bellino, Teil 3 La Calori,Teil 4 Finale. Wir erleben einzelne Erzählstränge aus der Sicht der Sopranistin Angiola Calori, dann wieder aus der Sicht von Casanova. Angiola und Casanova begegnen sich und sind beide voneinander fasziniert. Doch keiner der beiden ist bereit, sein Leben für den anderen aufzugeben. Angiola, die ihr Leben als Frau aus Liebe zur Musik aufgegeben hat und sich aus den Zwängen der Frauenrolle dieser Zeit befreit hat, stellt die Musik über alles.

Angiola erfährt in diesem Roman eine Entwicklung, von der kleinen Angiola, deren Mutter ein total anderes Leben für ihre Tochter vorgesehen hat, zum Kastraten Bellino, bis zur La Calori, die die Oper für die Frauenwelt zurückerobert und eine Vorreiterin ihrer Zeit ist.

Casanova rückt sich mit mehr oder weniger erfundenen Geschichten ins Rampenlicht und fasziniert die Frauenwelt. Kein Rock ist vor ihm sicher.

Ein Roman um große Gefühle, Erotik zur Zeit des Rokoko und Sinnlichkeit. Wir bekommen einen detailierten Einblick in das Leben der Menschen in dieser Zeit, in die Willkür und Dekadenz der Adeligen, dem schweren Alltag der kleinen Leute. Insbesondere die Problematik von Frauen und Kindern wird von Tanja Kinkel in diesem Roman herausgearbeitet. Angiola verstösst gegen die Gepflogenheiten dieser Zeit und führt ein selbstbestimmtes Leben, muss aber auf viele Dinge verzichten und lebt ständig in der Gefahr, entdeckt zu werden.

Laut dem Nachwort von Tanja Kinkel war Angiola eine der berühmtesten Sängerinnen des Rokokos. Über ihre Jugend und den Beginn ihrer Karriere ist nichts bekannt. Auch von Casanova gibt es zwar viele Berichte, trotzdem liegt ein Teil seines Lebens im Dunkeln.

Tanja Kinkel hat hier sehr genau recherchiert. Das Resultat aus Recherchearbeit und Fantasie hat die Autorin zu einem Roman um zwei interessante Figuren verwoben und uns dabei so nebenbei interessanten Geschichtsunterricht erteilt.

4/5 Sterne für diesen Einblick in das Leben zweier interessanter, schillernder, Menschen, der Sopranistin La Calori und Casanova, die ihrer Zeit voraus waren.