Rezension

Außergewöhnlich

Eine allgemeine Theorie des Vergessens - José Eduardo Agualusa

Eine allgemeine Theorie des Vergessens
von José Eduardo Agualusa

Bewertet mit 3 Sternen

Eine außergewöhnliche Geschichte, die mich allerdings nicht so fesseln konnte wie anfangs erhofft.

Eine wahre Geschichte über 30 Jahre Einsamkeit in einer zugemauerten Wohnung, in der Ludovica fantasievoll ihr Überleben organisiert … das klang für mich nach einer interessanten und lesenswerten Geschichte. Die ersten Seiten waren ein Genuss. José Eduardo Agualusa versteht es hervorragend, mit wenigen Worten viel zu erzählen. Ich mochte Ludo von Anfang an, gerade weil sie etwas „anders“ ist. Und ich war megagespannt, wie sie diese 30 Jahre ausfüllen wird.

Aber … leider wurde ich so nach und nach enttäuscht.

 

Nach einer sehr stimmigen und emotionalen Einleitung war Ludo von der Außenwelt abgetrennt und ich verlor den Zugang zu ihr. Denn ihr „Überleben“ wurde nur in Fragmenten geschildert und ich habe immer mehr Distanz zu ihr aufgebaut. Zwischen die einzelnen Kapitel wurden Tagebucheinträge von Ludo platziert, aber diese fand ich teilweise sehr verworren und habe sie manchmal einfach überlesen. Gleichzeit hat José Eduardo Agualusa viele weitere Schauplätze und Personen ins Rennen geschickt, dass ich kurz davor war, den Überblick zu verlieren. Der Schreibstil, den ich anfangs sehr gemocht habe, hat mich mehr und mehr an ein Drehbuch erinnert. Und als Film hätte mir die Geschichte auch viel besser gefallen. Aber so musste ich mich durch viele Ereignisse kämpfen, was meinen Lesefluss gestört hat. Es hatte schon etwas von einem Tarantino Drehbuch inklusive des makaberen Humors. Das waren dann meine Lichtblicke, genau wie die wunderschönen und fast schon poetischen Sätze, die José Eduardo Agualusa zwischendurch eingestreut hat ( S. 175 - Das Paradies ist unser Platz im Herzen der anderen).

 

Uns so hat mich das Buch mit gemischten Gefühlen zurück gelassen. Einerseits mochte ich die Sprache und die vielen Handlungsstränge, die sich am Ende alle wunderbar ineinander gefügt haben. Selbst Ludos Geheimnis wurde am Ende aufgeklärt. Aber das hat mich gleichzeitig auch gestört. Ich habe keinen Zugang zu Land und Leuten gefunden und letztendlich auch nicht zu Ludo und ihrem Schicksal.

 

Fazit: Eine außergewöhnliche Geschichte, die mich allerdings nicht so fesseln konnte wie anfangs erhofft.