Rezension

Beeindruckender, aufrüttelnder Roman.

Sommer unter schwarzen Flügeln
von Peer Martin

Bewertet mit 5 Sternen

Ein Buch wie ein Banner für die Menschlichkeit.

Kurz mag dem Leser die Assoziation zu Julia Capulet und Romeo Montague durch den Kopf gehen, zu jenem jungen Paar, dessen berührende Liebesgeschichte William Shakespeare im 16. Jahrhundert literarisch verewigt hat. Ihre Liebe scheiterte an menschlichen Schwächen, an Verbohrtheit und Hass, zu Fall gebracht von einer Gesellschaft, die falschen Ideologien huldigte.

Das ist ein Blick zurück, der damals Geschehenes versucht mit dem Wort „Vergangenheit“ abzutun, zu erklären oder auch zu entschuldigen – bis man erschrickt, weil diese Erklärung hier nicht passt.

Denn das hier ist heute, ist die Gegenwart, die wir gestalten. Hier sind es Calvin, der rechtsradikale Junge aus Mecklenburg-Vorpommern und die syrische Asylantin Nura Aljasafi, deren Familie den Kriegswahnsinn der Heimat hinter sich gelassen hat, um in Deutschland – diesem Märchenland - auf Schutz und Verständnis zu treffen.

An einem ganz normalen Tag kreuzen sich zum ersten Mal ihre Wege, kein himmelstürmendes Ereignis bildet die Ouvertüre zu dieser schicksalhaften Begegnung, die den Einen in Gesprächen und Gedanken in die Welt des Anderen führen wird, und für Beide ist es der zaghafte Beginn einer verzweifelten Liebe in einem anderen Leben.

Zwei verschiedenen Gesellschaftsschichten hat das Schicksal sie zugeteilt, zwei Gesinnungs-Koordinaten, die im alten verwerflichen „Deutschtum“ ihre Wurzeln haben, bringen die beiden Menschen in Gefahr, lassen ihrer Liebe nur wenige „Auszeiten“, in denen man einfach nur „fühlen“ darf – ohne das Rauschen „gefahrbringender schwarzer Flügel“ über sich zu hören und unter den geschlossenen Lidern alles Grauen, das die Augen bereits sehen mussten, verborgen bleibt.

 

Vorweg sei gesagt, dass die Basis dieses Buches das Ergebnis detaillierter Recherche widerspiegelt und anhand von diversen, umfangreichen Links eigenes Wissen ausführlichst vervollkommnet werden kann, was für ein solch brisantes Thema von ungeheurem Wert ist.

Die Protagonisten sind authentisch und empathisch gezeichnet, gegenwärtig und greifbar, ohne Abstand zum Lesenden, immer wieder zum inneren Dialog mit ihnen verführend.

Insgesamt agiert dieses Debüt wie ein ganzes Orchester.

Peer Martin beherrscht die einzelnen Instrumente virtuos. Die leisen, gefühlvoll-zärtlichen Töne der Zuneigung und des Verstehens sind ihm ebenso zu Eigen wie die quälende Schmerzhaftigkeit geplanter Brutalität oder der dröhnende Paukenschlag unmenschlich-diktatorischer Vernichtung – und in diese literarische Oper zieht er den Leser hinein, der atemlos zuhört und sich mit allen Sinnen gebannt fühlt.

Dieses Erstlingswerk des Autors nimmt meines Erachtens nach eine absolute Vorrangstelle unter den Jugendbüchern ein.

Jungen Leuten möchte ich diesen Roman empfehlen, weil nicht nur Warnung sondern auch Hilfe in seiner Wahrheit steckt, aber auch alle Eltern sollten das Buch lesen, damit ihre Kinder mit den Gedanken aufwachsen, die diese Lektüre in ihnen geweckt hat.