Rezension

Befremdlich

Der Vorweiner -

Der Vorweiner
von Bov Bjerg

Bewertet mit 2 Sternen

In „Der Vorweiner“ versetzt Bov Berg seine LeserInnen in eine dystopische Zukunft, die von den Auswirkungen des Klimawandels, Migrationsproblemen und einer ausufernden Dienstleistungsgesellschaft geprägt ist. Nach der Leseprobe hatte ich mich auf eine unterhaltsam geschriebene, satirische Reflexion unserer politischen und sozialen Gegenwart gefreut, doch ich muss sagen, dass ich leider durch den sehr befremdlichen Stil und die teils unverständliche Handlung enttäuscht worden bin.
Obwohl ich den Autor Bov Berg und seine Bücher (besonders „Auerhaus“) mag und ich wirklich versucht habe, mich auf den experimentellen Stil in „Der Vorweiner“ einzulassen, bin ich mit dem Roman nicht war geworden. Während ich die ersten Kapitel noch ganz gerne gelesen habe, da das Buch so ungewöhnlich ist und ich Spaß an der rätselhaften Handlung hatte, hat die Lesefreude im Laufe der Lektüre immer mehr abgenommen. Vieles an der Handlung war für mich unverständlich und mir ist nicht klar geworden, was der Autor den LeserInnen eigentlich sagen will wie z.B. das immer wieder eingeschobene „Gottesauge“, das von der eigentlichen Handlung wie in einem Filmschnitt in eine andere Handlung überblendet oder das Thema der Regression/Wiedergeburt (hier will ich nicht mehr verraten, um nichts an der Handlung vorwegzunehmen).
Auch die Gesellschaft und die Charaktere, die Berg in seinem Roman entwirft, fand ich sehr befremdlich. Ich musste etwas an T.C. Boyles aktuellen Bestseller „Blue Skies“ denken, in dem auch eine vom Klimawandel geprägte Zukunftsdystopie als Setting dient. Doch anders als bei Boyle ist in der „Vorweiner“ wenig realistisch und überzeichnet unsere Gegenwart aufs Extremste, sodass alles sehr futuristisch und bizarr wirkt.  Dazu haben mich die Charaktere fast schon abgestoßen, da sie kaum wie richtige Menschen, sondern eher humanoid wirken und kein Identifikationspotenzial für mich hatten. Ihre Gedanken und Handlungsweisen haben mich sehr irritiert und einige Passagen im Roman waren richtig ekelhaft wie eine „Sexszene“ mit Ananasringen oder die Schlachtung eines Schweines, das sein Leben leider (und dass sage ich als Vegetarierin!) nicht zur Herstellung von Wurst lassen musste.
Sollte Bov Berg solch eine befremdliche Gesellschaftsform und Zukunftsdystopie entworfen haben, um uns eindringlich vor den Konsequenzen unseres gegenwärtigen Handelns im sozialen, politischen und ökologischen Kontext zu warnen und uns davor abzuschrecken, ist ihm das auf alle Fälle gelungen.
Stilistisch ist „Der Vorweiner“ wie gesagt ebenfalls gewöhnungsbedürftig. Es dominieren kurze Hauptsätze und der Autor verwendet zahlreiche Neologismen und Alliterationen, die seiner Sprache zwar einen gewissen Rhythmus verleihen, aber auf die Dauer einfach zu viel sind. Der Roman erinnert dabei stellenweise an konstruieret Werbetexte, die den ausufernden Dienstleistungscharakter der dargestellten Gesellschaft wiederspiegeln, da selbst das literarische Schreiben zum reinen, anbiedernden Broterwerb verkommt. Für mich war das zuletzt äußerst anstrengend zu lesen, da der Text dadurch sehr verkünstelt wirkt. Die Neologismen haben mich noch mehr vom Text entfremdet, sodass ich mich trotz aller Bemühungen, mich auf das Buch einzulassen, keinen rechten Zugang gefunden haben. Mir ist unklar geblieben, was der Autor letzten Endes eigentlich aussagen will. Kennzeichnend schien mir zu sein, dass in Bergs Zukunftsdystopie keine Empathie mehr mit Menschen und Umwelt zu herrschen scheint und er uns vor so einer Zukunft warnen will und „Der Vorweiner“ sicher eine Persiflage auf Klimakrise, Migrationspolitik und Dienstleistungsgesellschaft sein soll. Doch der Autor hat einen so befremdliche Art der Darstellung genutzt, dass ich lieber andere Romane empfehlen würde, um über diese Themen literarisch zu reflektieren.