Rezension

Berührender Kriegsbericht

Lebe Sarajevo! - Bill Carter

Lebe Sarajevo!
von Bill Carter

Bewertet mit 5 Sternen

Lasst euch nicht irritieren, dieses Buch existiert auch als Taschenbuch!

 

Fools Rush In hätte ich wohl nie in die Hand genommen, hätte ich keine Wurzeln in Südosteuropa. Leider ist das Cover mit der Goldschrift und dem Cellisten doch etwas abschreckend. Aber der Inhalt ist berührend, trotzig und rockig – anders kann ich es nicht nennen.

 

Der junge Amerikaner Bill Carter ist Weltenbummler. Scheinbar ist es nur eine Laune, die ihn Anfang der Neunziger in das letzte wirkliche Kriegsgebiet Europas führt. Um in Bosnien hineinzugelangen schließt er sich „The Serious Road Trip“ an, einer unbürokratischen, anarchischen Hilfsorganisation, die unabhängig arbeitet und mit bunt bemalten Fahrzeugen das Kriegsgebiet durchquert. Ziel ist die belagerte Stadt Sarajevo, die Bill Carters zweite Heimat werden soll...

 

Die Erzählungen sind sehr persönlich. Carter erzählt aus seiner eigenen Vergangenheit, beschreibt, was der Krieg aus ihn und seinen Freunden machte und nimmt dabei auch politisch eine sehr klare Position ein. Das gefiel mir. Wir vergessen manchmal, dass noch immer Kriegsschäden auf dem Balkan existieren, dass nur wenige Kilometer von der Urlaubsregion Dalmatien Massenmorde und Vergewaltigungen stattfanden – vor nur etwas mehr als 20 Jahren. Dieses Buch erinnert daran. Dabei legt Carter Wert darauf, dass Menschen immer Menschen bleiben, aber auch darauf, dass vieles einfach kaum verständlich bleibt. Ein besonderer Schwerpunkt ist die Beschreibung Sarajevos als Kulturhauptstadt – selbst in der Belagerung. Carter knüpfte Kontakte mit U2, um Sarajevo in die Öffentlichkeit zu bringen, real zu machen, und dreht später einen preisgekrönten Dokumentarfilm.

 

Abgesehen davon, wie wichtig und menschlich dieser Erfahrungsbericht ist, lässt er sich auch wirklich gut lesen. Er ist nicht trocken, manchmal erfrischend unkorrekt und die Erzählweise spannend. Da noch immer Prozesse gegen die Drahtzieher des Krieges laufen und man erneut das Gefühl hat, Europa versinke in Konflikten, ist es zudem ein sehr aktuelles Buch.

 

Fazit: Sehr persönlicher Bericht über die längste Belagerung einer Stadt in der jüngsten Geschichte. Ich empfehle jedem, der sich für die Geschichte und Politik Europas und gerade auch des ehemaligen Jugoslawien interessiert, dieses Buch zu lesen. Zudem gehen alle Einnahmen an eine Hilfsorganisation, die sich unter Anderem auch in Bosnien engagiert, das immer noch unter dem Trauma der „ethnischen Säuberungen“ steht.