Rezension

Bombastische Stimmung

Das unendliche Meer - Rick Yancey

Das unendliche Meer
von Rick Yancey

Der erste Teil “Die fünfte Welle” war für mich atemberaubend. Der zweite Teil dagegen fing wortwörtlich mit einer Bombe an und ließ mich eine Zeit lang einfach in der Luft baumeln ohne zu wissen, was passiert, wenn es mich einfach fallen ließe. Ich bin der festen Überzeugung, dass dieses Buch wahrscheinlich den härtesten, emotionalsten und genialsten Anfang hat, den ich jemals gelesen habe. Und dass mir ein Autor sowas antun könnte, hätte ich nicht mal im Traum gedacht. Das Buch ist aus mehreren Sichtweisen geschrieben, weswegen der Leser von oben herunterschauen kann und dennoch immer in die Geschehnisse der Protagonisten eintaucht. Es waren so grausame Handlungen der Kinder, die dem System entkommen konnten.

»Unser Atem, der Auslöser.
Unser Kind, die Waffe.« [Seite 12]

In “Das unendliche Meer” geht es um die Angst alles zu verlieren, wenn man nur einen einzigen Fehler begeht. Jeder Atemzug und Schritt vorwärts könnte mein letzter sein, aber auch andere setze ich damit der Gefahr aus. Sie könnten gefoltert, überlistet, psychisch fertig gemacht oder getötet werden. Keine Sache davon ist in irgendeiner Art und Weise besser als die andere. Es gibt nur einen einzigen Weg das zu überleben – mitzuspielen.

»Ich sollte sie zurücklassen. Und zwar sofort.
Aber ich tue es nicht. Ich kann nicht. […] In der Minute, in der wir beschließen, dass eine Person keine Rolle spielt, haben sie gewonnen, und jetzt sind meine Worte die Kette, die mich an sie fesseln.« [Seite 41]

Auch die Angst davor einen einzigen Menschen zu verlieren, ist für viele Protas ein Gedanke der Qual. Jemanden nie wieder zu sehen oder zu ahnen, dass von weit oben etwas auf sie heruntersaust, dass sie töten wird.

Leider muss ich auch sagen, dass “Das unendliche Meer” von Rick Yancey leider den ersten Band nicht toppen konnte. Trotz des Anfangs, der mich weggehauen hat, blieb das Gefühl des ersten Bandes aus. Mir war das einfach zu viel innerer Monolog, wechselnde Protagonisten und zu viele verschiedene Handlungen. Mein Hirn hüpfte von einer Situation zur anderen und kam nicht wirklich fließend weiter.
Die Fortsetzung konnte ich dennoch durch die tollen Metaphern und moralischen Fragen, die ab und zu kamen, gut durchlesen. Oftmals habe ich in der Situation eine Doppeldeutigkeit gesehen, die ich aber leider manchmal nicht verstehen konnte, da es zu kompliziert geschrieben war.
Durch die vielen Psychosachen, die einerseits mit mir und andererseits die mit den Protas gespielt worden sind, haben einen selbst so dermaßen für die Geschichte sensiblisiert, weswegen das Mitgefühl geweckt wurde. Genau deswegen würde ich sagen, dass die Reihe an sich wirklich reizend ist und ich mich nun auch auf den letzten Band der Trilogie von Rick Yancey freue.

»Aber es gibt Dinge, die wir uns über die Wahrheit sagen, und es gibt Dinge, die die Wahrheit über uns verrät.« [Seite 321]

“Das unendliche Meer” ist ein Folgeband, der mit vielen kleinen Stellen im Buch überzeugen kann, aber dennoch immer wieder kleine Schwachstellen aufweist. Dennoch bin ich der Meinung, dass diese kleinen “Fehler” einfach zur Geschichte gehören und sie wohl zu einer der genialsten Dystopien macht, die es gibt. Die Welt ist nunmal kaputt und dieses Buch unterstützt diesen Fakt.

Da ich vom Autor überrascht wurde und dieses Buch so viele Ecken und Kanten aufweist wie unsere Welt sie nunmal aufweist, möchte ich dem Buch “Das unendliche Meer” 4,5 von 5 Herzen geben!