Rezension

Briefgeheimnis

Das Leuchten meiner Welt - Sophia Khan

Das Leuchten meiner Welt
von Sophia Khan

Bewertet mit 4 Sternen

Manchmal hilft es während der ins Stocken geratenen Lektüre eines Buches eine Pause zu machen und was ganz anderes, Genre-Fernes zu lesen. Die Aufmachung von „Das Leuchten meiner Welt“ hat meine haptischen Bedürfnisse voll erfüllt, das Buch in die Hand zu nehmen ist Freude pur, dennoch kam ich mit dem Text nicht so richtig voran. Immer wieder musste ich innehalten, weil mir die Verhaltensweisen von Tochter und Vater so überhaupt nicht verständlich erschienen. Am liebsten hätte ich mich in die Geschichte an den Küchentisch der beiden gewünscht und die schweigsamen Mahlzeiten mit einer Standpauke unterbrochen. Leider ist das reale Eintauchen in fiktive gedruckte Handlungen noch immer nicht möglich und mir blieb nur die stille Beobachtung des Lesers. Der Verlust von Irenies Mutter Yasmeen hat Vater wie Tochter gleichermaßen betäubt und stumpf für das Leben gemacht. Als Irenie dann Briefe ihrer Mutter findet und erkennt, das die große Liebe Yasmeens nicht ihrem eigenen Vater galt, sondern einem anderen Mann, beginnt sie sich mit dem Verschwinden der Mutter wirklich auseinander zu setzen und interessiert die Vorgeschichte ihrer Mutter zu enthüllen. In der Heimat von Yasmeen, bei den Großeltern und Verwandten in Pakistan kommt sie der Wahrheit endlich näher, während sich ihr Vater James allein im verwaisten Haus mit seinem Verlust auseinander setzen muss. Denn vor Yasmeen hat er einst bereits einen innig geliebten Menschen verloren.

Während ich also Zeuge des betäubten Lebens von Irenie und James werde und mich diese fehlende Kommunikation der beiden in die Arme eines anderen Buches treibt, entdecke ich bei der Wiederaufnahme der Lektüre plötzlich ganz neue Seiten und Stimmungen, die mich die zweite Hälfte der Geschichte quasi in einem Rutsch lesen lassen. Irenie und James wachsen mir sehr ans Herz und ich bin sehr dankbar, dass Sophia Khan einen sehr klugen Weg der Erzählung gewählt hat, der frei von Kitsch und Pathos ist und auf die vielbesungenen großen Romanzen unseres Zeitalters einen neuen Blick wirft. Große Liebe allein ist keine Garantie für das Gelingen einer Partnerschaft im Alltag und sture Leidenschaft mag anfänglich romantisch wirken, sich auf Dauer aber gegen die Liebenden richten. Aus der Ich-Perspektive darf ich Teil haben an Irenies Gefühls- und Gedankenwelt, James Perspektive ist etwas distanzierter, aber auch hier weiß der Erzähler um die wichtigen Details seiner Figur Bescheid, nur dass er sie eben nach und nach in dem Maß enthüllt, in dem auch Irenie die wahre Geschichte hinter den Briefen ihrer Mutters Liebe entdeckt. Eine starke Figurengestaltung und die schillernde Exotik des Alltags in Pakistan versöhnen mich mit dem, bewusst so erzählten, fahlen Beginn des Romans. Mit dem Aufschlagen der letzten Seite hat sich sogar ein bisschen Wehmut über das nun unabänderlich erreichte Ende der Geschichte bei mir eingeschlichen, so sehr ist mir Irenie ans Herz gewachsen.