Rezension

Das Beste daraus gemacht

Ein ganzes Leben - Robert Seethaler

Ein ganzes Leben
von Robert Seethaler

Bewertet mit 4 Sternen

Andreas Egger kommt noch als ganz kleiner Bub zu seinem Onkel in die Berge. Dieser ist allerdings nicht begeistert darüber, behandelt den Jungen sehr schlecht, lässt ihn hart arbeiten und drangsaliert ihn wo es nur kann. Während eines erneuten unkontrollierten Wutausbruches bricht ihn der Onkels das Bein, welches anschließend nicht mehr richtig zusammenwächst. So muss sich Andreas nun hinkend fortbewegen, was sein Leben nicht gerade leichter macht. Glücklicherweise ist er irgendwann stärker als sein Verwandter und ist nicht mehr seiner Gewalt schutzlos ausgeliefert. 
Sobald es geht verlässt der Herangewachsene den Hof und verdient seinen Unterhalt mit Gelegenheitsarbeiten. Da Andreas sowohl recht kräftig und hartgesotten ist, die ihm übertragenen Tätigkeiten ohne großes Murren zuverlässig erledigt, ist er ein gern gesehener Arbeiter. 
Zu dieser Zeit verliebt er sich in Marie, die neue Kellnerin des Dorfgasthauses. Andreas ist  schnell klar die junge Frau heiraten zu wollen. Doch damit er überhaupt seine zukünftige Familie ernähren kann, braucht er ein geregeltes Einkommen. Da kommen ihm die Bauarbeiten für die erste Bergbahn gerade Recht. Trotz seiner Gehbehinderung bekommt der Einheimische eine Stelle in der Baufirma und wird durch seine Arbeitsweise bald zu einem unentbehrlichen Mitarbeiter. Eine gute Gelegenheit endlich Marie zur Frau zu nehmen und mit ihr das selbsterwirtschaftete kleine Anwesen am Berg zu bewohnen. Doch die Freude ist nicht von langer Dauer. Auf Grund der zahlreichen Baumrodungen für die Bergbahn sind die Hänge abschüssig geworden. Eine Schneelawine löst sich, rollt ungebremst auf Eggers Haus zu und begräbt nicht nur den Besitz sondern auch seine schwangere Frau unter sich. Erneut verliert der Mann alles was ihm lieb ist.
Nach einer Zeit des Trauerns aber, kämpft sich Andreas zurück ins Leben und beginnt von neuem. Leider nehmen damit die schwierigen, traurigen und lebensbedrohlichen Ereignisse in seinem Leben kein Ende. So muss er u.a. noch den zweiten Weltkrieg, den finanziellen Untergang seines Arbeitgebers oder den neuen technischen Fortschritt überstehen, bis er sein "Ziel" erreicht.

Die anfänglichen Kindheitserinnerungen, die von brutaler Gewalt gekennzeichnet sind, haben mich beinahe dazu gebracht das Buch wegzulegen. Als dann auch noch Marie stirbt, ist mir klar, ich höre mit dem Lesen auf. Obwohl der junge Mann so eine gute "Seele" ist, immer jedem hilft, so leiden muss und sich dennoch stets bemüht, verliert er seine große Liebe und steht wieder vor dem nichts. 
Robert Seethaler schaffte es mit seiner Erzählweise, dass Andreas mir so leid tat, dass ich gar nicht mehr wissen wollte, wie die Geschichte endet. 
Daher war mein Plan das Buch nach der nächsten Seite wegzulegen und mit der nächsten Handlung zu beginnen. Und genau an dieser Stelle erhält Andreas Egger in seinem verletzten Zustand Hilfe von den Dorfbewohnern indem der Wirt ihm kurzzeitig eine Unterkunft zur Verfügung stellt. Auch an seinen früheren Arbeitsplatz kann er nach der Genesung wieder zurückkehren. Obwohl ihn die Vergangenheit nicht los lässt, gibt er nicht auf und macht unverdrossen weiter. Das hat mir sehr imponiert. 
Gefallen hat mir ebenso Seethalers nüchterne Erzählweise gefallen. Er heischt kein Mitleid oder rührt seine Leser künstlich zu Tränen. Genau das hat mich in den Bann der Geschichte und auf die Seite der Hauptfigur gezogen. 
Wie ihr euch also denken könnt, habe ich das Buch nicht weggelegt sondern bis zum Ende gelesen. Dabei bleibt jedoch eines gleich. Andreas muss nach wie vor schwierige Situationen in seinem Leben meistern, doch bleibt er stets stoisch dabei seinen Weg fortzusetzen und sein Leben weiter zu leben.

Fazit:
Das Leben einer gewaltigen Persönlichkeit, die den gewaltigen Bergen im Hintergrund, in nichts nachsteht.