Rezension

"Das Leben muß ganz fest zwischen die Fäuste genommen werden"

Charlotte Berend-Corinth und Lovis Corinth - Margret Greiner

Charlotte Berend-Corinth und Lovis Corinth
von Margret Greiner

 

„Wife of Lovis Corinth“  -  lautet die Inschrift auf Charlotte Berend-Corinths Grabstein.

Ehefrau, Mutter und Künstlerin zu Beginn des 20. Jahrhunderts  -  ein Widerspruch? Charlottes Berend wird von dem Maler Lovis Corinth zunächst als Schülerin in seiner neu gegründeten „Malschule für Weiber“ angenommen. Sie avanciert rasch zum bevorzugten Modell des mehr als 20 Jahre Älteren, wird seine Geliebte und später Ehefrau. Charlottes  Liebe und Fürsorge gelten in erster Linie ihrem Ehemann und seinen Bedürfnissen. Ganz traditionell lenkt sie die Erziehung der gemeinsamen Kinder, regelt den Haushalt, organisiert den Bau ihres Hauses am Walchensee und pflegt Lovis, als er schwer krank wird. Für ihre eigenen Interessen bleibt ihr nur wenig Zeit. Als kluge Frau erkennt sie, „daß Freiheit höchst notwendig war für seinen Charakter, um glücklich zu sein…“ Doch Charlotte will mehr sein als nur sein Anhängsel. Immer wieder einmal findet sie die Gelegenheit für eine Auszeit, reist und arbeitet.

Mit viel Einfühlungsvermögen und sehr authentisch erzählt die Autorin Margret Greiner Charlotte Berends Leben in einer Roman-Biografie. Voll Sympathie, aber auch kritisch,  schildert sie Charlottes Spagat zwischen ihren alltäglichen notwendigen Pflichten und dem Wunsch, selbst ihr künstlerisches Potenzial zu nutzen; erzählt, wie sorgsam sie darauf achtet, in Bereiche auszuweichen, in denen Corinth seine Motive nicht sucht. So etwa findet „Petermannchen“, wie Lovis seine Gattin nennt, ihre Modelle im Theater- und Operettenmilieu. Hier enstehen ihre berühmten Porträts von Max Pallenberg, Fritzi Massary oder Richard Tauber.

Sachlich und plausibel zeigt Greiner Charlottes Bemühungen um ihr eigenes künstlerisches Werk und ihre Weiterentwicklung. Und lässt Charlotte auch selbst zu Wort kommen, in zahlreichen Zitaten aus Berends Schriften: „Und ich habe mich immer wieder an den Ohren herausgezogen und wieder gemalt.“  Doch erst nach Lovis´ Tod gelingt es ihr, vollends aus dem Schatten des Meisters zu treten und sich „… noch einmal ganz angehören, meine ganzen Kräfte sammeln für meine Malerei.“ Schade, dass viele ihrer Gemälde verschollen sind!

Margret Greiners ausführliche Romanbiografie ist ein informatives, dabei sehr sensibles  Buch, das den Leser nachdenklich zurücklässt.