Rezension

das Raupenmädchen

Der Fluch der Sommervögel - Nicole Steyer

Der Fluch der Sommervögel
von Nicole Steyer

Bewertet mit 5 Sternen

Der Fluch der Sommervögel von Nicole Steyer entführt uns ins 17. Jahrhundert nach Frankfurt. Es ist ein Historischer Roman, in dessen Mittelpunkt die Künstlerin Maria Sibylla Merian steht, die schon als Kind von den Schmetterlingen, von ihr liebevoll Sommervögel genannt, fasziniert war. Maria ist die Tochter des bekannten Frankfurter Verlegers und Kupferstechers Matthäus Merian, sie hat wie ihre älteren Stiefbrüder auch das Zeichentalent des Vaters geerbt. Nach seinem viel zu frühen Tod wird ihr Talent vom neuen Mann ihrer Mutter, Jacob Marell,  gefördert, der selbst ein bekannter Blumenmaler ist.

Maria ist so ganz anders, als eine junge Frau zur damaligen Zeit sein sollte. Sie ist intelligent, wissensdurstig und eine starke Persönlichkeit, die ihren Wege gehen möchte, ungeachtet dessen was die Gesellschaft vorschreibt. Maria arbeitet an einem Buch über Raupen und deren Entwicklung zu Schmetterlingen, sie beobachtet die Tiere genau und sieht sich als Wissenschaftlerin. Ihre Liebe zu den Sommervögeln wird von den Bewohnern Frankfurts argwöhnisch beäugt, sie gilt als sonderbar und wird als Raupenmädchen verschrien.  Pfarrer Waldschmidt und sein Sohn Conrad hegen sogar den Verdacht, dass sie im Bund mit dem Teufel steht, denn Raupen und Butterfliegen galten zur damaligen Zeit als Teufelsgetier. Der Buchhändler Valentin ist ihr Vertrauter, er erkennt welch großartiges Werk Maria vollbringt und fördert sie, indem er ihr Bücher über Sommervögel aus anderen Kontinenten schenkt und ihr die Möglichkeit gibt, Latein zu lernen.

Als Maria den Totengräber Christian kennenlernt findet sie in ihm einen Seelenverwandten. Christian ist ein talentierter Bildhauer und hält die Sommervögel in Stein fest. Die beiden  verbindet eine zarte Zuneigung zueinander, die aufgrund des Standesunterschiedes aber keine Zukunft hat. Darüber sind sich beide im klaren. Sie genießen die Zeit, die sie miteinander verbringen dürfen, doch dann wendet sich das Schicksal auf dramatische Weise.

Nicole Steyer hat mich mit ihrer wunderbar  lebendigen und farbenprächtigen Geschichte um die historisch belegte Persönlichkeit der Maria Merian verzaubert. Mit einer sympathischen Protagonistin, die mir beim lesen ans Herz gewachsen ist. Maria besticht nicht durch Liebreiz oder ein hübsches Äußeres, aber durch ihren Charakter und ihre Intelligenz, ihre Zeichenkunst und ihren starken Willen. Zu ihrer Mutter hat Maria ein distanziertes Verhältnis, die Magd Bärbel ist ihr zum Mutterersatz geworden. Ihr älterer Bruder Caspar würde ihr Talent gern weiter fördern, doch ihm sind die Hände gebunden. Ihr anderer Stiefbruder Matthäus neidet beiden Geschwistern das Talent, er ist missgünstig und neidisch auf Maria, das Nesthäkchen des verstorbenen Vaters.

Die Figuren sind schön detailliert gezeichnet, neben Maria und Christian hat mir besonders der Buchhändler Valentin gefallen. In seiner Buchhandlung verbringt Maria viel Zeit, es ist für sie ein Rückzugsort schon seit sie ein Kind war, hier fühlt sie sich wohl und geborgen. Die Autorin arbeitet die Charaktereigenschaften sehr gut heraus, nicht nur die der liebenswerten Menschen, sondern auch die derer, die Maria Böses wollen. Der Aberglaube der zu damaligen Zeiten herrschte kommt gut rüber, das Unwissen der Menschen, das Nichtakzeptieren derjenigen, die von der Norm abweichen.

Der Roman beginnt in einer heiteren, gelösten Atmosphäre und wandelt sich im Verlauf dramatisch. Diese Atmosphäre hat mich beeindruckt, wie sich langsam bedrohliche Töne untermischen, welche die Geschichte immer düsterer, am Ende fast zu einem Krimi machen. Ich hatte hier Kopfkino pur, hatte die Umgebung und die Menschen bildlich vor Augen und war gefangen in dieser lang vergangenen Welt. Dazu trägt auch der klare, bildhafte Schreibstil bei, der schön flüssig zu lesen ist.

Fazit: Wunderbar farbenprächtiger Historischer Roman über eine starke Frau. Von mir eine klare Leseempfehlung!