Rezension

Der erste Fall für Jakob Franck

Der namenlose Tag - Friedrich Ani

Der namenlose Tag
von Friedrich Ani

Bewertet mit 3 Sternen

Jakob Franck ist seit kurzem im Ruhestand, früher war er Kommissar. Doch die alten Fälle lassen ihm keine Ruhe: oft sitzen die Verstorbenen bei ihm am Tisch. Eines Tages bekommt er sogar lebendigen Besuch: Ludwig Winther bittet ihn darum, den Tod seiner Tochter Esther aufzuklären. Dabei ist dieser bereits über 20 Jahre her und wurde als Selbstmord zu den Akten gelegt. Franck hat damals nicht mal ermittelt, sondern nur der Mutter die Nachricht von Tod ihrer Tochter überbracht. Er erinnert sich noch sehr gut daran, denn die Mutter hielt ihn 7 Stunden im Arm, nachdem er es ihr erzählt hat. Jakob Franck ermittelt auf eigene Faust in dem alten Fall. Vielleicht auch, um die neue Leere in seinem Leben zu füllen.

Dieser Roman lässt mich zwiegespalten zurück. Der Autor hat einen sehr schönen Schreibstil und das Buch ist sehr angenehm zu lesen.  Vor allem den Anfang finde ich gut: Es wird beschrieben, wie sich die Toten in Jakob Francks Leben einmischen, wie sie ihn in seiner einsamen Wohnung besuchen. Das hat mir sehr gefallen, allerdings kommt es im Laufe des Buches kaum mehr vor, höchstens in Nebensätzen. Auch der Besuch von Winther, Esthers Vater, ist toll ausgearbeitet.  Durch die Unterhaltung mit Franck kann man sich sehr gut vorstellen, was für ein Mensch er ist, wie er „tickt“.

Franck nimmt die Ermittlungen auf und redet mit vielen Leuten, die Esther gekannt haben. Oft erfährt man aus diesen Gesprächen sehr viel über die Person, woran sie im Leben gescheitert ist oder wo sie Dreck am Stecken hat. Darin liegt wohl Anis Talent: Seine Figuren entlarven sich unbewusst selbst als das was sie sind. Auch ein Bild von Esthers Leben setzt sich langsam zusammen, wobei einige Informationen widersprüchlich sind und sich erst langsam ineinander fügen.

Wer in einem Krimi temporeiche Actionszenen sucht ist hier ganz falsch. Die Ermittlungsarbeit besteht fast ausschließlich aus Gesprächen. Ich muss sagen, dass mir ein bisschen mehr Handlung gefehlt hat und ein bisschen die Spannung. Auch mit dem Ermittler bin ich nicht richtig warm geworden. An manchen Stellen fand ich sein Verhalten etwas übertrieben oder unrealistisch, zum Beispiel die Szene mit Esthers Mutter, die er sieben Stunden im Arm hält oder seine Begegnung am Flughafen.

Ich kann mir vorstellen, dass es viele Leser gibt, denen das Buch sehr gut gefallen wird. Da es mich nicht so sehr mitreißen konnte, vergebe ich drei Sterne.