Rezension

Der Hungerterror Stalins gegen die Ukrainer

Denk ich an Kiew -

Denk ich an Kiew
von Erin Litteken

Bewertet mit 4 Sternen

Hauptthema: der Holodomor, Hungerterror Stalins gegen die ukrainischen Bauern, eingebettet in die Geschichte einer Familie

Wisst ihr, was der Holodomor ist? Was Stalin in den Jahren vor Ausbruch des 2. Weltkrieges mit den Ukrainern gemacht hat? Erst neulich kam mir dieses merkwürdige Wort 'Holodomor' vor Augen und ich habe mich informiert. Lapidar wird in wenigen Sätzen geschrieben, was passiert ist. Das ist sehr abstrakt und weckt daher keine Emotionen. Deshalb halte ich es für ein Verdienst dieses Buches, die nüchternen Informationen für die Leser zu 'übersetzen', indem man das Schicksal konkreter Personen erzählt.

Allerdings besteht die Geschichte aus zwei Handlungssträngen, die 2004 und in der Vergangenheit stattfinden:

Die noch junge Cassie verliert ihren Mann bei einem Autounfall. Die kleine Tochter überlebt nur knapp, spricht aber seitdem nicht mehr. Eine kleine Besserung ist erkennbar, als Cassie auf Drängen ihrer Mutter nach Hause zurückkehrt und ins Haus ihrer 92-jährigen Großmutter Bobby zieht, um dieser zu helfen. Das Töchterchen Birdie beginnt wieder zu sprechen und der ständig grinsende (*nerv*) Nachbar Nick kümmert sich um alle. Es scheint sich eine zarte Liebesgeschichte zwischen ihm und Cassie anzubahnen, die sich aber in meinen Augen sehr klischeehaft liest und auf die ich gerne hätte verzichten können. Ich hätte es besser gefunden, wenn lediglich das Auffinden und Übersetzen des ukrainischen Tagebuchs der Großmutter die Rahmenhandlung gebildet hätte. So weit kam mir das Buch eher als eine Liebesgeschichte für junge Frauen vor, dessen Sprache mir wenig gefällt:

'Ihre Haut brannte von der Berührung' 1(29) - 'Sie starrt auf seine muskulösen Arme.' - 'Er war nicht mehr verschwitzt, aber er wirkte immer noch ziemlich attraktiv.' (198)

Das schmälert jedoch nicht das Verdienst der Autorin, den schrecklichen Vorgängen in der ländlichen Ukraine eine Stimme und bildhaften Ausdruck verliehen zu haben. Es geht um die furchtbaren Ereignisse der Jahre 1929–1933, als Stalin die Kollektivierung der Landwirtschaft vorantrieb und das mit einer Terrorherrschaft ohnegleichen: den Bauern und ihren Familien wurde alles abgenommen: Land, Vieh, Getreide, selbst das Saatgut. Das führte zu einer verheerenden Hungersnot, der Millionen! zum Opfer fielen.

Und genau das ist hier am Beispiel einer Familie erzählt. Die Hauptfigur Katja ist die Großmutter mit dem Tagebuch, die noch immer unter den Verlusten leidet, die sie damals erlitten hat.

Leider gab es – wie anscheinend immer – allzu viele Verräter und Kollaborateure, die gemeinsame Sache mit den Bolschewiki machten. Selbst die Kinder und Jugendlichen wurden systematisch indoktriniert und dazu angehalten, ihre Eltern zu verraten, wenn sei heimlich Lebensmittel versteckten.

'Der Tod eines einzelnen Menschen ist eine Tragödie, der Tod von Millionen nur eine Statistik.' (Stalin selbst)

'Stalin will uns vernichten. Er will unsere Seelen rauben, alles, was ukrainisch ist.' (72)

Der Holodomor wurde lange totgeschwiegen, aber inzwischen gibt es genug Forschung und viele Dokumentationen zu diesem düsteren Thema der Geschichte.

Das Buch ist brandneu (2022) und 2 € aus dem Verkauf gehen an eine ukrainische Hilfsorganisation. Die Webseite der in den USA lebende Autorin, selbst Urenkelin einer Ukrainerin:

https://www.erinlitteken.com/