Rezension

Die Demontage einer Frau, die sich selbst belügt

434 Tage - Anne Freytag

434 Tage
von Anne Freytag

Klappentext:
Anja ist erfolgreich, sie ist glücklich verheiratet, sie hat ein gutes Leben. Zumindest denkt sie das, bis sie auf einer Geschäftsreise unerwartet Julian in die Arme läuft. In diesem Moment ahnt Anja noch nicht, dass nach diesem Wiedersehen nichts mehr so sein wird, wie es war. Sie ahnt nicht, dass dieses Begegnung ihr gesamtes Leben ändern wird. Nur leider nicht unbedingt so, wie sie sich das vorgestellt hat.

Die Autorin:
Anne Freytag liebt Geschichten (vor allem, die, die das Leben schreibt), spannende Charaktere und erschafft diesen gerne einen eigenen kleinen Kosmos. Sie sagt sich gerne, dass ihre Romane Geschichten sind, die auch das Leben schreiben würde (wenn es die Charaktere wirklich gäbe). Das Genre ist ihr dabei egal. Ein Held muss authentisch sein. Ist er es nicht, ist er kein Held. Es gibt noch viele Charaktere - die meisten wurden noch nicht geboren, sie rumoren lediglich als Ideen in ihrem Hirn.

Meine Meinung:
Anja, eine erfolgreiche Geschäftsfrau, verheiratet mit dem Architekten Tobias, abgesichert und eigentlich glücklich, zumindest nach außen, trifft ihre Jugendliebe Julian wieder. Zuerst schreit in ihr alles danach, dass sie so schnell wie möglich flüchten soll, denn sie hat Jahre gebraucht, um ihn zu vergessen, aber da gibt es ihren inneren Dämon, der genau wie Anja, diesen Mann nicht aus dem Herzen und den Gedanken freigegeben hat. Beide stürzen sich in eine leidenschaftliche Affäre, fliehen vor der Realität, die sie jedoch schmerzhaft einholt.

Der Roman wird in verschiedenen Zeitebenen erzählt. Durch einige Rückblicke und der Gegenwart. Ich fand mich gut zurecht, weil es meiner Meinung nach übersichtlich war, aus welchem Lebensabschnitt gerade berichtet wurde.
"434 Tage" geht unter die Haut, weil es genau so tausende Male im wahren Leben geschieht, dass man auf Grund seiner Wahrnehmung, Ängsten und aus Skepsis Entscheidungen trifft, die das gesamte Dasein beeinflussen. Ob nun positiv oder negativ, sei dahingestellt; wobei es hier dramatisch ist, was alles passiert.

Anja ist eine Frau, die nicht den einfach Weg geht, die selbst bestimmen will, wo es lang geht, ohne sich dabei bewusst zu sein, dass sie somit ihr Leben derart abschätzig beeinflusst, dass es schon weh tut. Auch macht sie sich um ihre Mitmenschen, sprich, um ihre große Liebe Julian und ihren Mann, mit dem sie seit zehn Jahren verheiratet ist, keine allzu großen Gedanken. Sie lebt in der Vergangenheit, gesteht sich Gefühle und Schwächen nicht ein. Das ist ihr Manko, das sie in die Tiefe zieht. Und deswegen ist das Ende nicht überraschend, auch wenn es tragisch ist.

Julians Briefe gingen mir sehr nahe, überhaupt versteht es Anne Freytag, sehr emotional zu schreiben. Jeder Augenblick, jeder Gedanke, jede Zwiespältigkeit dringt ins Bewusstsein ein, sodass man selbst hinterfragt, wie man gehandelt hätte. Und auch hier ist die Botschaft klar: Miteinander reden, denn das kommt oft viel zu kurz.

Kein einfaches Thema, das glaubhaft erzählt wurde, authentische Figuren und eine dramatische Geschichte, um eine Frau, die sich selbst jahrelang belogen hat und die Konsequenzen tragen muss.