Rezension

Die Erzählung plätschert vor sich hin.

Wo ist Norden - Barbara Handke

Wo ist Norden
von Barbara Handke

Bewertet mit 3 Sternen

Ich liebe die neuen Bundesländer. (So neu sind die gar nicht mehr). Und sogenannte "Instandsetzungsliteratur." Obwohl die Instandsetzung leider nur eine marginale Rolle spielte.

Es ist passiert. Ich habe ein Selbstpublisherbuch gelesen. Und es war gar nicht so übel.

Die Thematik spricht mich an. Nikitas Familie erwirbt in der Zeit kurz nach dem Mauerfall ein Gutshaus in Plenskow und richtet es wieder her. Ein Café soll dort entstehen. Die tüchtige Marlene samt ihrem smarten Ehemann Konrad, der im Gutshaus als Landarzt praktizieren soll, managt es.

Der Erzähler, Nikita, hat seinen Namen von Herrn Chruschtschow und steht in ständiger Konkurrenz zu seinem jüngeren Bruder Konrad, der ihm Marlene, die große Liebe, vor der Nase weggeschnappt hat. Aber irgendwie ist es doch Nikita, ebenfalls Arzt, jedoch in der Kreisstadt, der immer alles richtet und nicht Konrad. Es dauert allerdings eine Weile, bis Nikita sich emanzipiert!

Das Buch lebt von dem unterschwelligen Konflikt zwischen den beiden Brüdern, der nie offen ausgetragen wird, und natürlich vom Leben im Dorf und seinen mehr oder weniger angenehmen Bewohnern, am Rande von den Arbeiten am Gutshaus und von den Familienmitgliedern, die eigentlich ganz reizend sind, die aber allesamt zu wenig eigenen Raum bekommen. Irgendwie gehen sie mit ihren Besonderheiten im ständigen Gang der Geschichte unter, statt unter die Haut zu gehen und hervorzustechen. Es ist, als ob sie auf der Bühne hin und her gehen, anstatt stehen zu bleiben, den Zuschauer anzuschauen und einen Monolog zu sprechen. Sie haben keine Wirkkraft!

Die Autorin hat einen flüssigen Stil, sprachlich ist nicht viel auszusetzen. Man hat allerdings den Eindruck, die Autorin wolle sich gerade das Rauchen abgewöhnen, da Nikita sich allzuhäufig mit seinen Zigaretten beschäftigt … mit den Händen, mit den Gedanken ...

Obwohl das Leben in Plenskow durchaus seine Tücken hat, plätschert die Erzählung wie ein Mühlbach gleichmässig am Leser vorbei. Und das ist die Kritik! Der Roman hat weder einen Höhepunkt noch einzelne kleine Höhepunkte! Dabei haben die Bewohner und Freunde der Familie richtig Potential. Dieses Potential hätte die Autorin eventuell mit einem Perspektivwechsel mehr ausschöpfen und vor allem besser in Szene setzen sollen.

Möglicherweise nimmt sich die Autorin auch einen zu großen Zeitabschnitt vor. Sicher möchte man wissen, was mit dem Gutshaus wird, aber noch mehr wollte man mit dem Schicksal der Personen mitfiebern und mitleiden. Aber man kommt aufgrund der chronologischen Erzählweise nicht nah genug an sie heran, vielleicht ein bisschen an Kater Elmar, der einem um die Beine schnurrt.

Fazit: Nett geschrieben, das Personal hat Potential, die Sprachfähigkeit ist vorhanden. Es gibt keine Floskeln im Buch. Die Naturbeschreibungen sind schön. Es fehlt quasi nur noch die dramaturgische Bearbeitung des Stoffes.

Kategorie: Unterhaltung
Verlag: Books on Demand, 2018
 

Kommentare

Emswashed kommentierte am 29. März 2018 um 18:11

Drama baby, more drama.... würde Bruce Darnell jetzt sagen.

wandagreen kommentierte am 31. März 2018 um 17:48

Ich sehe ihn vor mir!

Steve Kaminski kommentierte am 15. April 2018 um 09:44

"Und es war gar nicht so übel" - das klingt ein bisschen nach: Es hat gar nicht wehgetan!