Rezension

Die unendliche Geschichte von Carol und Tony

Eiszeit - Val McDermid

Eiszeit
von Val McDermid

Bewertet mit 3 Sternen

Ein Unbekannter bringt Frauen um, die alle eine verblüffende Ähnlichkeit mit Detective Chief Inspector Carol Jordan haben. Eigentlich ein perfekter Fall für sie und ihren Kollegen, den Profiler Tony Hill, doch Carol hat gerade ihren Job hingeschmissen. Der brutale Mord an ihrem Bruder und dessen Frau hat sie in eine Krise gestürzt. Sie wirft Tony vor, diese Bluttat nicht vorhergesehen zu haben, und will nichts mehr mit ihm zu tun haben. Als der Verdacht schließlich sogar auf Tony fällt, beginnen die Ereignisse sich zu überschlagen.

Es herrscht „Eiszeit“ zwischen Tony und Carol, weil sie ihm seinen angeblichen Fehler bei der Jagd nach Jacko Vance nicht verzeihen kann, der ihren Bruder und seine Frau das Leben kostete. MIT wurde aufgelöst, die Mitglieder anderen Teams zugeteilt; Paula kommt als Sergeant zu DCI Alex Fielding, einer Frau, deren Ermittlungsstil sich von Carols stark unterscheidet. Tony lebt allein mit seinen Schuldgefühlen auf seinem Hausboot, Carol renoviert das geerbte Haus ihres Bruders und hat ihren Dienst quittiert.
Die grässlich zugerichtete Leiche einer Frau wird gefunden, eine andere Frau gilt als vermisst. Den Fall übernimmt Paulas Chefin; sie soll ihr zuarbeiten. Natürlich wendet sie sich hinter dem Rücken von Fielding an Tony. Mit Folgen. Für sich und Tony.

Die Krimihandlung ist anscheinend nebensächlich. Das Buch wirkt so, als hätte sich die Autorin ein Szenarium gebastelt, auf dessen Hintergrund sie die unendliche Geschichte von Carol und Tony weiter erzählen kann. Ein Serienmörder – was sonst? – tritt auf und lässt den Leser wissen, dass er Frauen sucht. Er ist auf der Jagd nach der einen, die perfekt ist, die ihm gehorcht, im Alltag ebenso wie im Bett, und die den Haushalt mustergültig führt. Entspricht die Frau, die er gerade entführt hat und testet, nicht seinen Wünschen, wird sie sterben. (Dass sie Carol gleichen, ist übrigens belanglos.)

Paula kämpft an vorderster Front, sowohl mit den Einstellung und Macken ihrer neuen Chefin als auch mit ihren Erinnerungen und Sehnsüchten an das Team, dem sie vorher angehörte. Carol … Carol … immer wieder Carol. Sie war – so scheint es – für Paula die Göttin der Mordermittlungen.
Tatsächlich, kaum betritt Carol die Bühne, schwups, hat man den Namen des Mörders gefunden, auch dank Tonys geistesblitzartigen Hinweisen, klar. Der geübte Krimileser ahnte ihn schon längst.

Ein unspektakulärer Fall mit einer eingleisigen Ermittlung ohne Nebenhandlung, der ohne Spannung auskommt. Eine einzige spannende Szene im letzten Drittel des letzten Drittels kann nicht das Geplätscher der 460 Seiten, die man bis dahin braucht, wett machen.

Wer sich für die Verzweiflungen und das Gezerre in der Beziehung zwischen Carol und Tony interessiert, sollte das Buch sofort lesen. Wer einen fesselnden Krimi erwartet, hofft lieber darauf, dass McDermid zur Kunst der Spannung zurück findet.