Rezension

Dönme

Lebt - Orkun Ertener

Lebt
von Orkun Ertener

Bewertet mit 4.5 Sternen

 

Der Autor Can Evinman bleibt lieber im Hintergrund, deshalb betätigt er sich als Ghostwriter für bekannte Persönlichkeiten. So hat er schon einige Bestseller produziert und steht dennoch nicht in der Öffentlichkeit. Dennoch ist es für ihn ein besonderes Angebot - die Biografie der bekannten Schauspielerin Anna Roth. Schon beim ersten Treffen sind sich die beiden sympathisch. Das zweite Treffen allerdings wird abgesagt und Can wird von einer Mitarbeiterin Roths zu einem Termin mit deren Großvater gelockt, der seine Lebensgeschichte aufzeichnen möchte, nicht für das große Publikum, nur für die Familie. Der Berichterstatter ist ein betagter Greis, der gerade seinen hundertsten Geburtstag gefeiert hat. Seine Erzählung ist haarsträubend.

 

Schnell stellt sich heraus, dass Evinman unter falschen Voraussetzungen nach Hamburg gelockt wurde und gemeinsam mit Anna Roth beginnt er, ihre und seine Familiengeschichte zu rekonstruieren. 

 

In diese Rahmenhandlung gekleidet widmet sich Orkun Ertener, der auch als Drehbuchautor für verschiedene TV-Krimiserien tätig ist, der Geschichte der Dönme. Dabei handelt es sich um Angehörige einer jüdischen Sekte, die vor langer Zeit zum Islam konvertiert sind. Ein großer Teil ihrer Nachkommen lebte lange selbstbestimmt und anerkannt in Saloniki. Erst ein Austausch der Bevölkerung Griechenlands mit der der Türkei führte zu Enteignungen. Diese Volksgruppe der Konvertiten wurde hin und her geschoben wie es gerade passte. Und je nach politischer Lage waren sie entweder eher Juden oder eher Moslems, je nach dem was den Herrschenden besser in den Kram passte und wie sie die Dönme ausbeuten konnten. Das führte schließlich dazu, dass die Angehörigen dieser religiösen Splittergruppe ihren Nachkommen nichts mehr von ihrer Herkunft erzählten und ihre Geschichte und sich selbst zu ihrem eigenen Schutz selbst ausrotteten, um zu überleben.

 

Sehr interessant und spannend ist es von einer in der heutigen Zeit unbekannten Bevölkerungsgruppe, deren Herkunft und Kultur zu lesen. Wenn man auch aus heutiger Sicht nicht alle Beweggründe versteht, die zur Bildung der Gruppe führten, und man sich auch nicht wirklich in sie hineinfühlen kann, so ist ihr Weg ins Nichts doch mitreißend geschildert. Die Rahmenhandlung ist dabei wie ein rasanter und packender Thriller, in dem bestimmte Personen vor keiner Untat zurückschrecken. Eine Entdeckung des Ichs, ein Ich, das selbst zu ungeahnten Aktionen fähig ist,