Rezension

Ein Buch, das nicht beschönigt und gerade deshalb in den Bann zieht

Weißzeit - Christoffer Carlsson

Weißzeit
von Christoffer Carlsson

Ich liebe es, Bücher von Debütautoren zu lesen und mich von den Geschichten unvoreingenommen überraschen zu lassen. Das ist ein Grund, warum ich mir bei solchen Büchern ungerne vorab Rezensionen oder Meinungen durchlese, um mir noch voll und ganz mein eigenes Bild machen zu können. Bei Weißzeit von Christoffer Carlsson habe ich es ebenso gehandhabt, und ich bin froh darum, denn mache negativen Bewertungen des Buches, die ich nun gelesen habe, hätten mich eventuell davon abgehalten, es zu lesen. Mir hat es im Gegenteil richtig viel Spaß gemacht in die Geschichte einzutauchen und ich bin begeistert von dem rauen Umgangston und der besonderen Atmosphäre,die der Autor schafft.

Auf nur knapp 190 Seiten, beschreibt der Autor eine Welt, die realer und zeitgenössischer nicht sein könnte. Schwedens unschöne Seite, mit verkommenen Wohnwagensiedlungen, verarmten Viertel und überfüllten Ghettos, ist Hauptschauplatz der Handlung des Jugendbuches. Die Protagonistin Vega ist Teil dieser Welt und gehört der untersten Gesellschaftsschicht an, in der sich die Leute ihr Geld mit kriminellen Machenschaften oder mit ihrem Körper verdienen.

[…] dann legte [meine Mutter] eine Hand auf ihren Hintern und die andere auf eine ihrer Brüste und drückte zu, lachte und sagte: „Die hier müssen gut zu sehen sein, denn die bezahlen unsere Rechnungen.“ Das ekelte mich an.  (S.17)

Die Lebensumstände machen aus den Figuren der Geschichte bemerkenswerte und interessante, aber auch bemitleidenswerte Charaktere, die man aufgrunddessen nicht unbedingt in sein Herz schließt. Mir ging es jedoch so, dass ich mich sehr gut in Vega hineinversetzen konnte und mich ihr Leben, so traurig und hart es auch sein mochte, ziemlich fasziniert hat. Trotz der harten Bedingungen hat Vega sich so ziemlich als einzige in ihrer Familie und in ihrem Umfeld, ihren Sinn für die Schönheit der Naturbewahrt. Der Wald, der eine große Rolle in der Geschichte spielt, wird von ihr aktiv immer wieder mit allen Sinnen wahrgenommen und reflektiert, was sich atmosphärisch auch sehr schön auf den Leser überträgt.

Um mich herum hörte ich das Knacken und  Surren, das Ticken und Flüstern und Knurren des alten Waldes, und mit einem Mal war ich ganz sicher, dass er Zähne hatte […] (S. 91)

Ich bin überrascht, wie wenig mich die eigentliche Aufklärung des Mordes interessiert hat (obwohl der Handlunggstrang raffiniert gemacht ist, mit vielen, unvorhersehbaren und spannende Wendungen und Cliffhängern). Mich haben vielmehr das Miteinander der Figuren, die emotionalen und moralischen Abgründe der Menschen, die oftmals knallharten, ehrlichen und die unbeschönigten Gedanken von Vega zum Thema Sex gefesselt (Die Gedichte wird aus der Ich-Perspektive von Vega beschrieben, was das ganze intensiviert). Trotz der problembehafteten Figuren und dem bedrückendem Setting, gibt es in der Geschichte aber auch immer wieder sinnliche und eindringliche Momente, die ich wahnsinnig toll fand (wie u.a. das nachfolgende Zitat beweist).

Es gibt nicht sonderlich viele guten Bücher, aber die guten sind wie Leuchttürme. Irgendwie helfen sie einem, sich auf dem rechten Kurs zu halten, wenn es stürmt. (S. 135)

Die Sprache des Autors hat mir daher sehr gut gefallen. Gekonnt hält er die Waage zwischen dem rauen Erzählton der Figuren und der sinnlichen Beschreibung der Natur. Beide ergänzen sich perfekt und machen die Geschichte zu einem sprachlichen Erlebnis!

Fazit & Bewertung

Mich hat das Jugendbuch Weißzeit absolut überzeugt! Vor allem die beschriebenen gesellschaftlichen Umstände, die mich oft an den Krimi von J. K. Rowling, Plötzlich Todesfall,  erinnert haben, haben die beklemmende Geschichte über Vegas Suche nach der Wahrheit unheimlich spannend gemacht. Ich kann euch daher dieses Debüt des schwedischen Autors nur sehr ans Herz legen. Weißzeit ist eine Geschichte, die nichts beschönigt, die rau und unnahbar daher kommt und den Leser genau dadurch in ihren Bann zieht.

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