Rezension

Ein Buch über die Beziehung von Mutter und Tochter, über das Schweigen und Verschweigen.

Augustas Garten - Andrea Heuser

Augustas Garten
von Andrea Heuser

Als Barbara mit ihrer 5-jährigen Tochter ihren Mann verlässt und zu ihrem neuen Partner zieht, möchte sie alles richtig machen: Das Kind muss sehr behutsam mit der neuen Situation vertraut gemacht werden. Augusta ist schließlich ein sehr fantasievolles und sensibles Kind. Barbara möchte doch unbedingt, dass es ihre Tochter einmal besser hat als sie selbst: Ein sicheres, liebevolles und schönes Zuhause mit einer glücklichen Mutter. Und auch Barbara hat doch ein wenig Glück verdient.
[HeuserAugustasGarten] So beginnt die Übergangszeit, die Zeit des Wartens für Augusta: “Wann gehen wir wieder zu, Papa? Wann ist alles wieder normal?” Das ganze Denken des kleinen Mädchens dreht sich um diese Frage, schließlich ist es nicht ihr Zimmer, in dem jetzt einige ihrer Sachen stehen, es ist nicht ihr Haus. Nein, sie sind zu Besuch, doch jede Frage wird von ihrer Mutter mit einem “Bald, bald.” beantwortet. Das Mädchen vertraut natürlich auf die Worte ihrer Mutter und bald ist schließlich ihr Geburtstag, da wird der Besuch sicherlich vorbei und sie wieder bei Papa sein.

Dieses Buch ist der Debütroman von Andrea Heuser, die sich bisher durch ihr lyrisches Werk hervorgetan und Preise für ihre Gedichtbände erhalten hat. In ihrem ersten Roman spürt man die Wurzeln der Lyrik, denn jeder Satz scheint die Leichtigkeit eines Gedichtes in sich zu tragen. Die Worte und selbst die Handlung werden kunstvoll durch einen inneren Rhythmus miteinander verwoben. Leise drängend führen Mutter und Tochter die Erzählung zum Höhepunkt. Über Wochen hat sich eine Spannung zwischen Mutter und Tochter aufgebaut. Das Schweigen soll die neue Situation erträglicher machen, doch löst er im Kind etwas völlig anderes aus: Die fehlenden Worte, das Vakuum wird zum Druck, der sich zu nächst in Abneigung gegen Eduard, den neuen Freund ihrer Mutter, seinem Haus und schließlich im Weglauf des Mädchens entlädt.
Besonders eindringlich sind die Passagen, die aus der Perspektive der kleinen Augusta erzählt werden. Sie verliert sich in ihrer kindlichen Gedankenwelt, begreift viele Dinge nicht und deutet Gesehenes und Gehörtes völlig neu. Diese Naivität ist berührend und in sich absolut logisch. Doch muss ich sagen, dass ich einiges davon etwas überzogen fand. Dass ein Wasserfleck im Teppich wieder trocknet, begreift bereits meine knapp 3-Jährige, warum Augusta darauf mit völligem Unverständnis reagiert erscheint mir unrealistisch. Dies Gefühl überkam mich an einigen Stellen, doch in sich ist die Figur durchaus schlüssig.
Genauso wie die Mutter: Völlig überfordert von dem Verschwinden ihrer Tochter, sitzt Barbara nun in ihrer Küche und denkt über ihr Leben nach, durch das sich eines zieht wie ein roter Faden: Fluchten. Ich habe das Buch in einem Rutsch gelesen und so kam ich in den Genuss eines lyrischen, nachdenklichen und vor allem sehr bewegenden Buches, der sich anfühlt wie aus einem Guss.

Fazit: Ein Buch über die Beziehung von Mutter und Tochter, über das Schweigen und Verschweigen. Einfühlsam und voller Poesie erzählt Andrea Heuser über die Schwierigkeit die Grenze zwischen Beschützen und Verdrängen zu erkennen. Man möchte diesem kleinen Mädchen sanft in ihren Garten führen und die Welt heil machen.