Rezension

Eine emotional aufwühlende, verstörende, aber sehr einfühlsame Geschichte

Augustas Garten - Andrea Heuser

Augustas Garten
von Andrea Heuser

Die Worte der Autorin als Vorstellung ihres Buches: „In meinem Romandebüt "Augustas Garten" geht es um den Umgang mit einer unangenehmen Wahrheit, um kleine und große Fluchten und die Kraft der kindlichen Imagination. Sommer 1975: Die sechsjährige Augusta macht sich mit einer Froschsparbüchse und einem Toastbrot im Rucksack auf die Suche nach ihrem Vater, während die Mutter Barbara in der Küche den Geburtstagstisch deckt und darauf wartet, dass Augusta vom Spielplatz vor der Türe zurückkehrt... “

Inhalt:

Mutter Barbara hat sich von Vater Andreas getrennt und so lebt Augusta jetzt mit ihrer Mama bei Eduard, dem neuen Freund der Mutter. Eduard ist pingelig und, obwohl er Lehrer ist, kann er sich überhaupt nicht in die Fünfjährige einfühlen. Er sorgt sich mehr um seinen sauberen Teppich als um ihre Gefühle.

Augusta wähnt sich nur zu Besuch bei diesem komischen Mann. Ihr Kinderzimmer ist schließlich ganz woanders. Nämlich bei Papa, den sie einfach weinend zurückgelassen haben, als Mutti mit ihr und ein paar Sachen aus der Wohnung losfuhr. Die Frage, wann sie endlich wieder nach Hause fahren beantwortet Barbara stets mit einem vagen „bald“. Geschürt wird Augustas Frustration dadurch, dass die Mutter nicht mit ihr über die neue Situation redet. Anstatt die Wahrheit zu sagen, wird das Kind vertröstet.

So ist sich Augusta der wohnlichen Entgültigkeit erst bewusst, als kurz vor ihrem 6. Geburtstag ein Paket für sie ankommt. Darin sind wichtige Sachen aus ihrem alten Zuhause, die der Vater ihr nachgeschickt hat. Das „bald“ der Mutter entpuppt sich für Augusta hiermit endgültig als Lüge.

 So beschließt Augusta sich an ihrem 6. Geburtstag auf den Weg zu ihrem Vater zu machen, denn sie ist sich sicher, dass er sie vermisst.

Barbara ist außer sich und gibt eine Vermisstenanzeige auf. Während der Polizist bei ihr zuhause ist, um Informationen und ein Foto von Augusta zu erlangen, wird Barbara in Flashbacks mit ihrer eigenen Vergangenheit konfrontiert:

Ihr Vater regierte mit strenger Hand. Die Mutter, die ihn gewähren ließ, war emotional nicht wirklich für Barbara erreichbar. Liebevolles Verhalten und Gespräche gab es nicht. So ist es nicht verwunderlich, dass Barbara die gleichen Fehler bei Augusta macht, sie aber einfach nicht erkennt.

In welche Gefahren Augusta durch das Fehlverhalten der Mutter gerät, lässt einen am Ende wirklich erschaudern.

 

Meine Eindrücke:

Die Sprache des Buches hat mich gleich zu Anfang für sich eingenommen. Die Autorin wählt ganz bewusst eine kindlichere Sprache, wenn es um Augustas Gedankenwelt geht. Man kann sich in das fast 6jährige Mädchen hineinversetzen. Man versteht ihre Ängste, ihre Frustration in der neuen Umgebung, den Trotz gegenüber dem neuen Partner der Mutter. Auch ihre Hoffnung auf ein schnelles Wiedersehen mit dem Vater ist rührend erzählt. Um mit der unbefriedigenden Gesamtsituation umgehen zu können, flüchtet sich Augusta in ihre eigene Traumwelt, die sehr bildhaft und lebendig beschrieben ist.

Anfangs verwirrten mich die Flashbacks der Mutter, sodass ich oft Teile mehrmals lesen musste um komplett durchzusteigen.

Diese Erinnerungen der Mutter an ihre eigene Vergangenheit sind jedoch äußerst intelligent geschrieben und elementar wichtig für das Verständnis der ganzen emotionalen Zusammenhänge.

Sie sorgen dafür, dass man versteht woher die Mutter kommt, wie sehr sich ihre eigene Kindheit in der Erziehung der eigenen Tochter manifestiert, obwohl Barbara es eigentlich besser machen müsste, ja sogar WOLLTE, als ihre eigene Mutter. Wir erfahren, dass auch die Partner Barbaras aus schwierigen Familienverhältnissen kommen und Barbara keine Stütze sind.

 

Mein Fazit:

Dieses Buch hat so viel Tiefgang, dass es schon fast weh tut. Es lässt mich unbefriedigt und mit vielen offenen Fragen zurück. Aber so ist das nun mal im Leben. Es gibt nicht auf alles eine Antwort, und es ist auch nicht immer eine heile Welt in der wir leben. Nicht einmal in den schönsten Büchern!

 

Andrea Heuser ist ein Meisterwerk gelungen, das noch lange im Herzen nachklingt, und das man gerne noch einmal lesen möchte, damit man all die Feinheiten, die die Autorin eingeflochten hat, und die man schlichtweg noch nicht erfassen konnte, doch noch entdeckt.  

5 sehr emotionale Sterne von mir!