Rezension

Diese Rezension enthält Spoiler. Klicken, um alle Spoiler auf dieser Seite lesbar zu schalten.

Ein Buch, welches sich mitten ins Herz seiner Leser schreibt

Die unwahrscheinliche Pilgerreise des Harold Fry
von Rachel Joyce

*~* Eine Reise die auch mich verändert! *~*

Ich habe die Möglichkeit ergriffen und mich eingetragen in eine Liste von 10 Lesern, die Harold Fry auf seiner Pilgerreise begleiten. Im Buch sollte ich meine Spuren hinterlassen - unterstreichen oder aufschreiben was mir wichtig geworden ist. Es war komisch, denn ich habe das letzte Mal zu Schulzeiten in ein Buch geschrieben und fand es am Anfang wirklich komisch, aber ich habe es getan und je mehr ich las und je mehr ich schrieb umso mehr hat es mir gefallen. Ich war die zweite, die das Buch lesen durfte und ich denke am Ende wird das Buch sicherlich kunterbunt zur Besitzerin zurück finden. Die Idee ist toll und ich bin total froh, das ich Harold auf seiner Reise begleiten durfte.
Ich war sofort drin in der Handlung und konnte das Buch kaum zur Seite legen, so sehr hat es mich bewegt. Natürlich ist es unsinnig 1000 Kilometer und mehr zu laufen um eine kranke Freundin zu besuchen, die man 20 Jahre lang nicht gesehen hat, aber das ist es was dieses Buch ausmacht. Den Mut los zugehen und unmögliches wahr zu machen. "So lange ich gehe, wirst du leben!" ist der Satz, der uns durch das Buch führt. Schafft es Harold seine Reise zu beenden und Queenie zu retten, so wie das Mädchen auf der Tankstelle ihm es gesagt hat? Das der Glauben daran auch Krebs heilen kann?
Das Schreiben welches dem Buch beilag rührte mich zu Tränen. Ich bin sehr emotional, auch wenn man das nicht immer sofort bei mir vermutet, daher habe ich das Buch auch gleich mit ganz anderen Augen gesehen.
 

Den Brief an die Leser direkt von der Autorin könnt ihr hier lesen:

http://g-ecx.images-amazon.com/images/G/03/books/PDF/leseproben/97838105...
Vielleicht ist der Beweggrund dieses Buch zu schreiben, deshalb so liebevoll und außergewöhnlich?
Egal auf welche Seite ich mich begebe - Amazon, Thalia, buch.,de - überall springt Harold Fry mich direkt an und ich muss sagen das schon alleine diese Tatsache mich bewogen hatte das Buch unbedingt lesen zu wollen und zu müssen, denn die Neugier hat mich gepackt.

 

Der Klappentext sagt:

Eigentlich wollte er nur zum Briefkasten. Dann geht er 1000 Kilometer zu Fuß. 
Ein unvergesslicher Roman, der die ganze Welt erobert.
»Ich bin auf dem Weg. Du musst nur durchhalten. Ich werde Dich retten, Du wirst schon sehen. Ich werde laufen, und Du wirst leben.«
Harold Fry will nur kurz einen Brief einwerfen an seine frühere Kollegin Queenie Hennessy, die im Sterben liegt. Doch dann läuft er am Briefkasten vorbei und auch am Postamt, aus der Stadt hinaus und immer weiter, 87 Tage, 1000 Kilometer. Zu Fuß von Südengland bis an die schottische Grenze zu Queenies Hospiz. Eine Reise, die er jeden Tag neu beginnen muss. Für Queenie. Für seine Frau Maureen. Für seinen Sohn David. Für sich selbst. Und für uns alle.
Ein ganz außergewöhnlicher und tief berührender Roman – über Geheimnisse, besondere Momente und zufällige Begegnungen, die uns von Grund auf verändern. Über Tapferkeit und Betrug, Liebe und Loyalität und ein ganz unscheinbares Paar Segelschuhe.

 

Meine Meinung zum Buch:
Welches Geheimnis verbirgt Harold? Warum geht er los, obwohl er seit seiner Pensionierung das Haus nicht mehr verlassen hat? Was treibt ihn an? Viele Fragen stürzten auf mich ein und vieles wird innerhalb der Geschichte erklärt. Es verbirgt sich viel Schmerz, jede Menge Bitterkeit und auch Schuld. Diese sind die Gründe, die Harold dazu treiben Queenie zu begegnen, erneut nach 20 Jahren in denen sie sich weder gesehen, noch miteinander gesprochen haben. Was verbindet die beiden?
Harold wächst während seiner Wanderung, seiner Reise über sich hinaus und die Erkenntnisse die ihm kommen schmerzen auch mich als Leser, denn ich erkenne für mich, das ich auch viel zu wenig rede. Das ich vieles in mich hineinfresse, was mich innerlich auffrisst ohne es herauszulassen.
Maureen und Harold sind ein altes Ehepaar, die sich auseinander gelebt haben, sich nichts mehr zu sagen haben und nur noch Vorwürfe füreinander haben. Bin ich wie Maureen, die Gardinen aufhängt um die Außenwelt nicht in mein Haus zu lassen? Mich vor fremden Blicken zu schützen? Oder bin ich doch eher wie Harold Fry, der los läuft um wieder frei zu werden?
Mich hat das Buch zutiefst bewegt und ich kann nicht wirklich ausdrücken, was genau es war. Ist es die Tatsache, das Harold erst 65 Jahre alt werden musste um zu erkennen, das es so wie es ist nicht weitergehen kann? Ist es die Kraft die er aus seinem Marsch schöpft? Die Veränderung die in ihm und Maureen zu sehen sind? Oder sind es die Menschen die Harold begegnen?
87 Tage ist Harold unterwegs - 1000 Kilometer. Die Füße voller Blasen, die Schuhe kaputt und doch gibt er nicht auf. Immer wieder kreuzen Menschen seinen Weg, die ihn beeindrucken und ihm helfen. Oft ist es aber auch Harold der zuhört und dadurch hilft. Harold ist ein echter englischer Gentlemen und war mir von Anfang an sehr sympathisch.
Es gibt im Prinzip kein Happy End, aber es gibt eine Auflösung darüber, weshalb Harold angetrieben wird von Schuld und Vergessen wollen. Es tut weh und dennoch, kann er es gemeinsam mit seiner Frau tragen, denn Maureen beginnt auch sich zu verändern durch die Trennung von ihrem Mann und es zeigt sich das auch nach langem Schweigen und sich voneinander abwenden Versöhnung möglich ist. Die Tatsache, das sie die Gardinen abnimmt nimmt eine ganz besondere Bedeutung an, die mich wirklich zu Tränen rührte, aber erst im Nachhinein nachdem klar war, warum Maureen ist, wie sie ist und warum sie Harold nicht mehr an sich heran gelassen hat.
Wir tauchen ein in Gegenwart, Vergangenheit und Zukunft und diese Sprünge sind der Autorin sehr gelungen, denn dadurch zeichnet sie die Personen um einiges menschlicher.
Ich liebe dieses Buch und kann euch nur raten - Lest es und lasst euch selbst von Harold Fry verzaubern.
Fällt euch auf, das Fry im deutschen wie Frei ausgesprochen wird? Am Ende ist Harold Frei und es ist Zeit für einen Neubeginn. Durch seinen Aufbruch zu Queenie hat er es geschafft sogenannte Altlasten loszuwerden und vielleicht ganz neu und in Frieden weiterzuleben.
Unterwegs passiert ihm so einiges und eine Geschichte erinnert mich sehr an Forest Gump, der auch losläuft und plötzlich ganz, ganz viele Mitläufer hat. Ich will nicht mehr vorwegnehmen, denn dieses Buch ist es wert gelesen zu werden und ich hoffe ich konnte euch mit meinen wenigen Worten überzeugen!

 

Hier noch einige Zitate, die mir sehr gefallen haben:

"Unser Geist ist viel größer, als wir begreifen. Wenn wir fest an etwas glauben, können wir alles schaffen." Seite 23
"Wenn wir nicht ab und zu was Verrücktes tun, können wir uns gleich begraben lassen." Seite 45
"In der Stadt waren Harolds Gedanken versiegt. Doch in der offenen, unbesiedelten Landschaft flossen die Bilder wieder ungehindert. Das Laufen befreite die Vergangenheit, der er zwanzig Jahre lang aus dem Weg gegangen war, und jetzt plapperte und tollte sie mit der ihr eigenen wilden Energie in seinem Kopf herum. Er maß die Entfernung nicht mehr in Kilometern, sondern in Erinnerungen." Seite 119
"Die Menschen, denen er begegnete, die Orte, die er durchquerte, waren Schritte auf seiner Reise, und jedem einzelnen von ihnen räumte er einen Platz in seinem Herzen ein." Seite 246
 

Für mich mein absolutes Lesehighlight 2012!

Wünsche euch einen schönen Tag und allen, die sich mit mir auf die Reise begeben wünsche ich alles, alles Gute. Ihr werdet es nicht bereuen!
GLG,
Mel