Rezension

Ein Buch wie ein Capalll Uisce: Wunderschön und nicht von dieser Welt

Rot wie das Meer
von Maggie Stiefvater

Bewertet mit 4.5 Sternen

Inhalt:

Jedes Jahr im November wird die Insel Thisby von Capaill Uisce heimgesucht, Meereswesen, die in Gestalt wunderschöner Pferde Tod und Verderben bringen. Schnell wie der Seewind und tückisch wie das Meer, ziehen sie die Menschen in ihren Bann. Wie viele junge Männer der Insel fiebert auch Sean Kendrick dem Skorpio-Rennen entgegen, bei dem sie auf Capaill Uisce gegeneinander antreten. Nicht wenige bezahlen dafür mit ihrem Leben. Das diesjährige Rennen aber wird sein wie keines zuvor: Als erste Frau wagt Puck Connolly, sich einen Platz in dieser Männerwelt zu erkämpfen. Sie gewinnt den Respekt von Sean Kendrick, der ihr anfangs widerwillig, dann selbstlos hilft. Schließlich fällt der Startschuss und auch diesmal erreichen viele Reiter nicht das Ziel. Ihr Blut und das ihrer Capaill Uisce färben die Wellen des Meeres rot …

Cover:

Am Cover...was soll ich da auszusetzten haben? Es ist einfach nur hinreißend! Ganz der skript 5 Verlag wieder ein wunderbar verträumtes, harmonisches und verspieltes Cover, das einem ins Auge fällt und im Gedächtnis bleibt. Auch die Prallele zum Inhalt ist gegeben, was besonders gut wieder hier zu sehen ist. Auf mich wirkt das Cover ebenso einzigartig und wunderschön wie die Capaill Uisce in dem Buch, und durch das rot und schwarz auch ein bisschen Aggressiv. Es spiegelt eben den Inhalt so gut es geht wieder uns sieht zudem auch einfach nur toll aus.

Schreibstil:

Alleine der Schreibstil von Maggie Stiefvater hätte 5 Sterne verdient. Ich kenne kaum jemanden, der es versteht, so zu schreiben, wie diese Autorin. Es ist unglaublich, was für eine Atmosphäre Maggie Stiefvater aufbauen kann, wie viele Bilder sie mit ihrem Schreibstilt zeichnen kann. Die Wörter fließen nur so aus dem Buch heraus und scheinen Szenarien zu malen, die Gefühle in mein Herz zu transportieren und mich wie ein Netz gefangen zu nehmen. Stiefvater holt alles aus einem Wort raus, was nur möglich ist. Das macht das Buch alleine schon etwas ganz besonderem. Noch dazu merkt man beim Lesen die Liebe und die Leidenschaft, welche Stiefvater in dieses Buch invesitert hat. Und dadurch kann man das Buch regelrecht fühlen, schmecken, ja ich glaube ich konnte sogar die Pferde riechen!
Desweiteren sind die Beschreibung von Thisby, der Landschaft und der Capaill Uisce einfach nur so schön Verträumt und Detailverliebt, dass ich mich wirklich auf diese Insel träumen konnte und mir alles genau ausmalen konnte. Ein einzigartiger, wundervoller Schreibstil.

Plot:

Leider hat jedes noch so schöne und zauberhafte Buch auch seine Schwachstelle. Und die hätte mich beinahe dazu gebracht, das Ganze abzubrechen. Denn die Spannung des Buches hält sich leider in Grenzen. Im Großen und Ganzen gibt es kein Gemetzel, keine Nervenauftreibende Spannung...was es dafür im Überfluss gibt sind Pferde. Wer also diese Tiere nicht mag, sollte sich zweimal überlegen, dieses Buch zu lesen. Denn diese Tiere sid der Schwerpunkt der Geschichte und kommen pausenlos in dem Buch vor.

Außerdem fällt besonders der Anfang der Geschichte ziemlich langatmig aus. Während der Prolog noch voller Tempo, Dynamik und Spannung steckt, so fällt diese leider sehr hart im ersten Kapitel und hält leider bis Seite 100 ungefähr an. In diesen ersten Seiten musste ich mich wirklich quälen, weiterzulesen. Wer das aber schafft, wer sich daran gewöhnt, dass es kein Pageturner ist, es keine atemlose Spannung gibt, der wird wirklich positiv überrascht werden.

Denn dieses Buch ist mit einer unglaublichen Intensivität und Tiefe geschrieben. Mit leisen Tönen und nicht viel Tarar erzählt Stiefvater die berührende, interessante, manchmal witzig, manchmal traurige Geschichte zweier Menschen, die unterschiedlich und gleich sind, und einer Insel, die genauso geheinissvoll wie wunderschön ist. Es geht gar nicht so sehr um das Rennen, eigentlich handeln 400 Seiten davon, wie sich Kate und Sean auf das Rennen vorbereiten. Es handelt davon, wie die beiden sich langsam nährer kommen und davon, welchen Platz die beiden im Leben haben. Welchen Grund sie haben, in diesem Rennen ihr Leben zu riskieren. Außerdem lernt man die gefährliche und wunderschönen Capaill Uisce kennen. Und obwohl ich Pferde eigentlich nicht allzu sehr mag, war ich faziniert von diesen Tieren, sie haben mich in ihren Bann gezogen und ich war begeistert von ihrer Geschichte und ihrer Bedeutung für die Geschichte, die Protagonisten und die Insel. Auch muss ich sagen, dass es in diesem Buch keine große, kitschige und überzogenen Liebesgeschichte gibt...diese ist sogar ziemlich nebensächlich, dafür aber warmherzig, liebevoll gemacht, leise und...irgendwie echt. Worum es wirklich geht sind die Capaill Uisce und die Insel, mit all ihren skurillen und mehr oder weniger liebenswerten Personen, und die Vorbereitung auf das Skorpio Rennen.

Dieses fällt im Endeffekt leider ziemlich kurz und unspektakulär aus, ist für mich aber trotzdem ausreichend, da es die Spannung und Impulsivität des Prologs wieder aufgereift und damit eine Art Hervorhebung hat, die das Ende sehr verstärken. Für mich haben am Ende beide gleichmaßen gewonnen und ich würde das Ende schon als Happy End bezeichnen, wobei ich die Autorin loben muss, dass es sich nicht um ein ktischiges, sondern um ein authentisches, nachvollziehbares und wunderschön trauriges, irgendwie perfektes Ende handelt.

Personen:

Ebenso wie der Schreibstil konnten mich einmal mehr Maggie Stiefvaters skurille, lebensnahe und vielschichtige Charaktere begeistern. Mit Kate und Sean haben wir zwei tolle Protagonisten, die die Geschichte um die Insel und die Wasserpferde erst lebedig machen und es ermöglichen, das ganze aus verschiedenen Standpunkten zu sehen.

Mit Kate, oder Puck wie sie genannt werden möchte, haben wir eine willensstarke, kratzbürstige und launische Protagonistin, die sich aber mit ihrer Schlagfertigkeit und ihrer Ehrlichkeit in mein Herz geschlichen hat. Sie benötigt nicht das Klischee des schüchteren Mädchens mit Minderwertigkeitskomplexen. Denn mit ihren jetzigen Charakterzügen ist sie vollkommen authentisch gezeichnet. Es macht Spaß, ihre Geschichte zu verfolgen. Sie bringt außerdem Humor und Pointe in die sonst sehr melancholische und ruhige Geschichte und sorgt damit für das gewisse i-Tüpfelchen.

Auch Sean ist ein toller Protagonist. Er bedient ebenfalls nicht das Klischee des selbstbewussten, mädchenaufreißenden, mystischen Bad Boys, sondern bewegt sich mit seinem authentischen und tiefschürenderen Charakter jenseits des Mainstreams. Ohne zu melancholisch oder zu negativ zu wirken hat Sean etwas verletzliches und sensibles an sich, etwas, was ihn einem sofort sympathisch macht. Und andererseits ist er wieder der unnahrbare, stille Kerl, der genau weiß, was er tun muss, wie er mit den Capaill Isce umgehen muss. Und was man bei Sean vorallem Spürte ist seine Liebe zu der Insel und zu den Wasserpferden. Seinen Zweispalt, seine Liebe zu Corr, seine Sorge um Puck. All das ist so authentisch und stark umgesetzt und macht Sean damit zu einem unglaublich kraftvollen Erzähler, der vor allem als Verbindung zu den dem Leser unbekannten Aspekten fungiert.

Auch die Nebenpersonen sind detailreich und tiefgründig beschrieben. Mal boshaft, mal skurill oder liebenswert sind mir Thisbys Bewohner im Gedächtnis geblieben. Denn jeder von ihnen erzählt eine Geschichte und jeder von ihnen hat diesen besonderen Zauber.

Meine Meinung:

Insgesamt kann man dieses Buch wirklich mit einem Capall Uisce vergleichen. Zuerst hattte ich große Schwierigkeiten, es einzufangen, es zu bändigen, zu verstehen und zu kontrollieren. Aber dieses Buch...dieses Buch muss nicht "gefährlich" (Langweilig) sein. Wenn man sich mit dem Buch treiben lässt, sich von dem wundervollen Schreibstil Stiefvaters, der einfach nur einzigartig ist, treiben lässt, wird man in eine einzigartige Traumwet entführt. In dieser geht man auf Reise, man trifft die Bewohner Thisbys und man trifft die beiden Protagonisten und verbringt zusammen mit Kate und Sean die Zeit vor dem großen Rennen. Man wird langsam ein Teil der Geschichte und dieses Buch, das einen nach und nach immer mehr wie eine Welle überrolt, braucht eben Zeit, diese volle Kraft seiner Großartigkeit und seiner Besonderheit zu entfalten, weswegen der Anfang des Buch leider sehr langatmig geraten ist. Auch wird in diesem Buch nicht alles erklärt, eben weil man sich manche Sachen einfach zwischen den Zeilen raussuchen muss. Trotzdem blieb für mich das eine oder andere Unklärt.

Nichtsdesdotrotz bin ich sehr froh, dieses Buch nicht abbgebrochen zu haben. Denn nach längerem Überlegen und nachdem ich mich über eine Woche diesem Buch gewidmet habe, habe ich verstanden, was dieses Buch eigentlich wert ist. Eine verträumt, wundervoll geschriebene Geschichte, die sicherlich noch viele Leser begeistern wird!