Rezension

Ein nicht ganz so einprägsamer Superheld

Nenn mich einfach Superheld - Alina Bronsky

Nenn mich einfach Superheld
von Alina Bronsky

„Nenn mich einfach Superheld“ von Alina Bronsky ist die besondere Geschichte über Marek, einen sechszehnjährigen Jungen, der vor einem Jahr durch einen Hundeangriff schwer im Gesicht entstellt wurde. Der Angriff hat sein Leben komplett verändert, der einstmals hübsche, beliebte Junge schottet sich in seinem Zimmer ab, hat seine damalige Freundin verlassen und sämtliches Selbstwertgefühl verloren. Er ist mit allem unzufrieden und schwimmt in seinem Selbstmitleid, verschläft ganze Tage bei runtergelassenen Rollläden und ist nachts wach, wenn er seine Ruhe hat.

 

Um ihn aus seiner Lethargie zu reißen vereinbart seine Mutter gegen seinen Willen einen Termin bei einer Selbsthilfegruppe für Jugendliche. So macht Marek Bekanntschaft mit anderen, die so ihr Päckchen zu tragen haben, wie Janne, die im Rollstuhl sitzt und dennoch das einfach wunderschönste Mädchen ist, dass die Welt je gesehen hat.

Der Besuch der Selbsthilfegruppe ist der Beginn eines neuen Aufbruchs in Mareks Leben. Er erkennt an, dass er nicht der einzige mit Problemen ist und richtet den Blick erstmals wieder auf seine Umwelt.

 

Der Schreibstil ist ironisch, humorvoll, oft etwas süffisant und bleibt immer etwas distanziert.

So entsteht eine außergewöhnliche Geschichte, die sich leicht lesen lässt und  interessante Perspektiven durch die unterschiedlichen Charaktere bieten könnte, sie aber leider nur anschneidet.

Sowohl die Handlung, als auch die Ausarbeitung der unterschiedlichen Charaktere bleiben durchweg an der Oberfläche, wodurch leider das Potential der Geschichte in meinen Augen verschenkt wird. Zwar unterhält das Buch über weite Strecken wirklich gut, ist ungewöhnlich, locker, ironisch und witzig geschrieben, bietet auch ungeahnte Wendungen, aber ein wirklicher Sog in die Geschichte oder eine Identifikation mit auch nur einem einzigen Charakter kommen leider nicht auf. Auch gleitet die Story ab etwa der Hälfte zu sehr ins gewollt Provokante ab, spätestens ab dem Zeitpunkt, wo Marek eine intime Beziehung zu seiner frisch verwitweten Stiefmutter eingeht. Dass der Tod des eigenen Vaters, wenn auch nach der Scheidung der Eltern mehrere Jahre zuvor und eine große räumliche Trennung, keine sehr starke Bindung mehr bestand, einen emotional verwirrt mag ja noch verständlich sein, aber selbst unter diesen Umständen verliert man doch nicht jegliches Schamgefühl, oder? Diese Wendung in der Geschichte hat mich als Leser zwar aufgerüttelt, aber ich fand sie dennoch nicht nachvollziehbar.

 

Die Auflösung der Geschichte kam mir persönlich etwas zu abrupt. Sie war eigentlich gut eingeflochten und ich ahnte sie schon einige Kapitel vorher.

Aber sie bleibt im freien Raum, findet nicht den Widerstand oder auch nur das Nachfragen der betroffenen Personen. Das finde ich schade, da es im Nachhinein den Aufbau des Spannungsbogens etwas überflüssig macht.

 

Insgesamt bleibt nach dem Beenden des Buches ein etwas fahler Beigeschmack, als ob die Geschichte eigentlich noch nicht beendet wäre, als ob da noch etwas nachkommen müsste, was aber leider nicht geschieht.

Längere Zeit nach der Lektüre bleibt außer diesem Gefühl wenig vom Buch im Lesegedächtnis zurück, deshalb gibt es von mir nur 3 von 5 Sternen.