Rezension

Ein rockig-knisternder Road-Trip

Der eine Kuss von dir - Patrycja Spychalski

Der eine Kuss von dir
von Patrycja Spychalski

Bewertet mit 4 Sternen

Sex, Drugs and Rock'n'Roll! Nicht nur für Protagonistin Frieda, auch für uns Leser, beginnt eine wilde und aufregende Zeit. Im Tourbus der Rockband BlackBirds geht's quer durch Brandenburg und wir Leser sind live dabei!

Ich erwartete ein nach dem Schema F ablaufenden Plot: Frieda, ein leicht schüchternes und doch sehr sympathisches Mädchen, begleitet die Rockband BlackBirds auf ihrer Tour und schwärmt für den Frontsänger Milo, was sie sich natürlich nicht eingestehen will. Dieser gibt im ersten Moment den Unnahbaren, obwohl er sich doch für das hübsche Mädchen interessiert. Doch bevor sich die zwei näher kommen können, beobachtet Frieda eine Situation, in der Milo sich innigst mit einem anderen Mädchen (Groupie?) unterhält. Natürlich interpretiert sie die Situation komplett falsch, das Mädchen ist lediglich eine alte Freundin oder vielleicht sogar seine Schwester - auf ein großes, tränenreiches Drama folgt schließlich ein kitschiges Happy End. 
Wenn ihr mit eben diesen Erwartungen an dieses Buch herangeht, werdet ihr genauso überrascht sein wie ich, denn DIESE Geschichte ist anders. Natürlich bekommen wir unsere Schwärmerei und unsere knisternden Kabelleien zwischen Frieda und Milo, jedoch spielen sich diese - ganz undramatisch - bereits relativ zu Beginn ab und enden in einem Kuss. Wir bleiben eng an Friedas Seite und spüren, wie sie mit sich und ihren Gefühlen kämpft. Der von allen Mädchen angehimmelte, attraktive und geheimnisvolle Milo zieht sie an. Schließlich lässt sie sich auf ein wildes Abenteuer und ein aufregendes Versteckspiel ein, wird aber weiterhin von Zweifeln und schließlich von einem schlechten Gewissen geplagt. Was will Milo von ihr? Was will sie selbst? Und welche Rolle spielt Linda in all dem Chaos? Linda - ein Mädchen, das Frieda anfangs etwas misstrauisch beäugt hat, sie zwischenzeitlich aber doch als eine Art "Vertraute" und neue Freundin sieht.
Patrycja Spychalski erzählt mit "Der eine Kuss von dir" eine sehr realitätsnahe Geschichte, die zwar mit knistrig-schönen Momenten zwischen Frontsänger Milo und Kameragirl Frieda, den alltäglichen Wirrungen, Verstrickungen und Problemchen von Teenagern und einem mehr oder weniger (un)romantischen Tourleben aufwarten kann, dabei aber nicht zu verklärt, klischeehaft oder gar schnulzig-romantisch daherkommt. 

"Ich lehne mich an den Rahmen und sehe ihm zu. Sein Blick ist ganz konzentriert, und ich denke, dass er das wirklich liebt, was er tut. Die Musik. Ich wünsche mir manchmal, dass ich auch endlich etwas finde, für das ich so viel Leidenschaft entwickeln kann, etwas das mich voll und ganz ausfüllt."
S. 97

Jugendlich und spritzig legt die Autorin ihren jungen Helden die Worte in den Mund, ohne die Sprache zu sehr mit Jugendslang oder Umgangssprache zu verholpern. Ihr angenehmer, einfacher und dennoch schöner Stil macht das Lesen zu einer gemütlichen, schnörkellosen und leicht zu verfolgenden Reise durchs Buch.

Das besondere Schmankerl in diesem Jugendroman bietet der Rock'n'Roll. An Friedas Seite nehmen wir am Tourleben der Rockband teil, erleben ausverkaufte Konzerte, begeisterte Groupies, außergewöhnliche Gigs, auf denen spontan improvisiert oder die Flucht ergriffen werden muss, Stress mit dem Booker und und und. Die Liebe zur Musik ist spürbar, ebenso das rockig-rebellische Lebensgefühl, das in und zwischen den Zeilen steckt. 
Tatsächlich ist es der Autorin gelungen, mich mit ihrer so echten und ehrlichen Geschichte zu überraschen. Besonders mit der unerwarteten Entscheidung am Schluss hat sie mir nicht nur deutlich gezeigt, dass ihr Roman eben anders ist als alle anderen, sondern auch, dass in ihrer jungen Heldin mehr steckt, als man ihr vielleicht zugetraut hätte.

Dass "Der eine Kuss von dir" eine indirekte Fortsetzung zu "Ich würde dich so gerne küssen" ist, habe ich beim Lesen nicht gemerkt. Natürlich blickt Frieda ab und an auf ihre Vergangenheit und ihre letzte Beziehung zurück, jedoch hat mir, rein inhaltlich, nichts gefehlt. Nun freue ich mich darauf, demnächst zur Vorgeschichte zu greifen, um ein Wiedersehen mit der liebgewonnenen Protagonistin Frieda zu feiern.
Dieser locker-leichte, rockig und rollige Jugendroman eignet sich perfekt als Urlaubs- bzw. Ferienlektüre und bekommt von mir eine klare Leseempfehlung! Dies war definitiv nicht mein letztes Buch von Patrycja Spychalski!