Rezension

Eine interessante Tatortbegehung

Endstation Sarajevo - Frank Gerbert

Endstation Sarajevo
von Frank Gerbert

Bewertet mit 5 Sternen

Endstation Sarajevo/Frank Gerbert

Wie wir es von Frank Gerbert gewöhnt sind, recherchiert er penibel. Eine klitzekleine private Querverbindung bindet er auch diesmal wieder ein. In diesem Buch ist es die Begegnung seiner Großmutter und deren Vater mit dem Franz Ferdinand.

Für dieses Buch begibt sich der Autor auf die Spuren des Thronfolgers Franz Ferdinands und reist auf dessen Reiseroute. Nicht alle Stationen und Verkehrsmittel stehen ihm heute zur Verfügung. So kann der Autor die Schiffsreise mit der „Viribus Unitis“ nicht mehr machen und muss sich eine Alternative suchen.

Gerbert schildert Land und Leute eindringlich, manchmal mit ein bisschen Augenzwinkern und vergisst niemals auf die schwierigen Verhältnisse heute wie damals hinzuweisen.

Er zieht Parallelen zu den Ereignissen im Jugoslawien-Krieg der 1990er Jahre. Viele Konflikte, die nach dem Zusammenbruch von Jugoslawien nach Titos Tod, aufbrachen, habe ihre Ursache in der Donaumonarchie. Noch heute werden einige dieser Kontroversen durch ständiges Sticheln am Köcheln gehalten.

Gerbert lässt seine Leser an dieser letzten Reise des Thronfolgerpaares teilhaben. An Hand von Fotos (die in meiner e-Book-Ausgabe leider fehlen) rekonstruiert er alle Stationen. Ich habe einen entsprechenden Bildband von Erich Pello gefunden: „Sarajevo – Tatort Lateinerbrücke“.

Eine besondere Ironie des Schicksals ist, dass Franz Ferdinand einen Krieg am Balkan für nicht gewinnbar hielt. Er fürchtete zu Recht, dass Russland den Balkanvölkern zu Hilfe eilen könnte. FF, wie ihn Frank Gerbert nennt, bevorzugte einen Feldzug gegen Italien, um die einige Jahre zuvor verloren gegangenen Gebiete wieder der Donaumonarchie anzuschließen.

Der Thronfolger, der durch seine unstandesgemäße Heirat mit Gräfin Chotek die Habsburgischen Familiengesetze gebrochen hatte, wird vom Autor als reaktionär und borniert dargestellt. Mit der Auswahl seines Personals hat er kein glückliches Händchen. So ist sein Protegé Franz Conrad von Hötzendorf davon überzeugt, ein genialer Stratege zu sein. Die falschen Entscheidungen und verlorenen Schlachten im 1. Weltkrieg muss FF nicht mehr miterleben. Erst Kaiser Karl wird Conrad von Hötzendorf 1917 aller seiner Ämter entheben.

Unverständlich ist die Ignoranz der k. und k. Behörden, die die diversen Warnungen in den Wind geschlagen haben. Obwohl, ein wenig passt dies auch zum Fatalismus, den die damaligen Herrscher an den Tag gelegt haben. Ein Attentat oder eine Ermordung galt sozusagen als „Betriebsunfall“.

Die letzte Autofahrt des Thronfolgerpaares soll mit den Worten „.. wir werden heut’ noch ein paar Kugeln bekommen“ begonnen haben und in tragischer Weise einen ganzen Kontinent in den Abgrund reißen.

Dieses Buch ist eine schöne Ergänzung zu den zahlreichen 2014 erschienenen Büchern, die FFs Ermordung und den Ersten Weltkrieg behandeln.