Rezension

Eine junge Frau lässt sich von der deutsch-deutschen Grenze nicht aufhalten

Die Dorfschullehrerin -

Die Dorfschullehrerin
von Eva Völler

Bewertet mit 5 Sternen

Helene, eine knapp dreißigjährige verwitwete Lehrerin, nimmt zu Beginn des Jahres 1961 eine Stelle an einer kleinen hessischen Dorfschule, nur wenige Kilometer von der damaligen Zonengrenze entfernt an. Über ihr vorhergehendes Leben in der noch im Aufbau befindlichen DDR gibt sie nur wenig preis und die Vorbehalte der Dorfbevölkerung schwinden mehr und mehr, da sie sich durch ihre Unterrichtsform und ihre den Schülern zugewandte Art deutlich vom Lehrerkollegium abhebt. Sie gewinnt nicht nur die Herzen ihrer Schüler, sondern setzt sich für sie ein. Sei es gegenüber Lehrerkollegen oder auch schon mal gegenüber Eltern. Auch wenn die Dorfgemeinschaft nicht davon ausgeht, dass Helene lange bleiben wird, handelt es sich doch um ein sehr ländliches und abgeschiedenes Dorf, so verfolgt Helene einen ganz besonderen Plan, den sie beharrlich verfolgt und in den sie niemanden einweiht.

Mit diesem Roman gelingt es der Autorin, einen Teil der deutsch-deutschen Geschichte aufzuzeigen und transparent zu machen, die von der ersten Seite an fesselt. Dabei wird nicht nur die Schulstruktur dieser Zeit, etwa in Form der üblichen Doppelklassen und den damit verbundenen besonderen beruflichen Herausforderungen an Lehrkräfte sehr authentisch und überzeugend dargestellt. Sondern auch die Herausforderungen, Auswirkungen und Herausforderungen, die mit dem Aufbau der DDR verbunden waren. Dazu wird ein weiterer Erzählstrang genutzt, in dem die Familie von Helenes Vater und auch ihre bei ihm lebende Tochter Marie eine wichtige und tragende Rolle spielt. Dabei sehr faszinierend mitzuerleben, wie gerade in der Charaktere der Ehefrau von Helenes Vater die Erkenntnis reift, dass der praktische Sozialismus nicht mit den ersten Erwartungshaltungen und Hoffnungen übereinstimmt.

Ein Roman, der von überzeugenden Charakteren getragen wird und Einblicke vor allem in den ostdeutschen Alltag und die zunehmenden Probleme und Einschränkungen, unter denen die dort lebenden Menschen noch viele Jahrzehnte leben mussten, werden auf eine sehr anschauliche und realistische Weise dargestellt. Auch wenn es sich um zwei Erzählstränge handelt, findet man sich in der jeweiligen Geschichte sehr gut zurecht und es ergibt sich ein überzeugendes und zunehmend spannendes Gesamtbild. Hat man selbst in den frühen 60er Jahren des zwanzigsten Jahrhunderts seine eigene Schulzeit erlebt, so findet man sich, gerade in so vielen Kleinigkeiten sofort wieder. Und, als etwas besonderes empfinde ich das Einflechten von so manchem Gespräch in Kirchdorf in dem dort herrschenden Dialekt. Gerade dies bewirkt eine lebhafte Vorstellung von dem Dorfleben und Dorfgeschehen und erzeugt eine glaubwürdige Authentizität. Im Übrigen trägt auch die Einbindung von amerikanischen Streitkräften in der nächstgelegenen Stadt, zu einem gelungen Zeitkolorit bei. Gekonnt die zunächst nur freundschaftliche Beziehung zwischen Helene und einem GI, die im Verlauf der Geschichte sicher eine besondere Rolle spielen könnte …

Dieser Roman hat mich von Anfang an begeistert, gefesselt und mich eine Zeitreise antreten lassen, an deren Ende ich viel darüber erfahren habe, wie sich grobe Zusammenhänge im täglichen Leben der damaligen Zeit ausgewirkt haben. Freue mich und bin sehr gespannt auf den Folgeband!