Rezension

Eine Liebe zwischen zwei Kulturen

Unser wildes Blut - Wolfgang Schnellbächer, Nur Öneren

Unser wildes Blut
von Wolfgang Schnellbächer Nur Öneren

Bewertet mit 3.5 Sternen

Alexander liebt seine Mitschülerin Aysel. Doch es ist eine Liebe, die nicht sein darf. Denn Aysel ist Muslimin und Alexander Christ. Die beiden haben keine Chance. Aysels Bruder Ilhan, der auf dieselbe Schule geht, wacht mit Argusaugen über die Ehre seiner Schwester. Aber so leicht gibt Alexander nicht auf. Als der Konflikt sich immer mehr zuspitzt und die ganze Schule in zwei Lager spaltet, soll Aysel plötzlich verheiratet werden. Den beiden Liebenden bleibt nur die Flucht. Doch Aysels Bruder ist ihnen dicht auf den Fersen (Quelle: Amazon)

Das Buch ist aus zwei Sichten geschrieben. Allerdings nicht wie man zunächst erwartet, aus der Sicht von Aysel und Alex, sondern aus der von Alex und Aysels Zwillingsbruder Ilhan. Das wirkt zunächst unerwartet und ungewöhnlich, aber auf den zweiten Blick erschien dies doch nachvollziehbar. So lieferte der Vergleich zweier Personen des gleichen Geschlechts, aber aus unterschiedlichen Kulturen, mal eine andere Perspektive. Für mich als weibliche Leserin wäre es dennoch wünschenswerter gewesen, doch auch mehr Einsicht in Aysels Gedanken zu erhalten.

Der Schreibstil ist sehr poetisch und tiefgründig. Obwohl das Buch hier von zwei Autoren geschrieben worden ist, konnte ich kaum Unterschiede in der Schreibweise feststellen und es schien als wäre es nur von einem Autor verfasst. Das finde ich wirklich beachtenswert. Oft merkt man doch, dass hier zwei Verfasser am Werk waren. Mir hat die Sprache gefallen, dennoch hat ich oft das Gefühl, dass der Fokus hier zu stark war. Mir kamen die Handlung und die Interaktion der Charaktere einfach oft zu kurz. An einigen Stellen konnte ich die Handlung auch nicht immer ganz nachvollziehen, dass diese des Öfteren im nachdenklichen, metaphorischen Schreibstil verloren gegangen ist. Im Verlauf des Romans ist mir auch ein bisschen zu viel geworden. Die oft auch sehr langen Sätze haben den Lesefluss an einigen Stellen gestört. Ich gehe auch davon aus, dass Aysel, Alex und Ilhan so 17 bzw. 18 Jahre alt waren. An einigen Stellen konnte ich das schwer nachvollziehen, da die Sprache und Gedanken nicht denen eines heranwachsenden, jungen Erwachsenen bzw. Teenager entsprochen haben. Der Titel „Unser wildes Blut“ wurde immer wieder aufgegriffen, sowohl für Ilhan als auch für Alex, und zieht sich wie ein roter Faden durch das Buch.

Die Charaktere betreffend fand ich hier Ilhan am besten ausgearbeitet. Ilhan, ein junger Türke, der zwischen den Stühlen sitzt. Einerseits ist im Tradition und Kultur wichtig, wozu auch gehört, dass seine Schwester sich nicht mit einem Deutschen zu treffen hat, ohne ihre Reinheit für die spätere Ehe mit einem Türken zu gefährden. Andererseits genießt Ilhan die Vorzüge eines deutschen Teenagers und geht mit seinen Kumpels feiern, betrinkt sich und schläft mit einem deutschen Mädchen, mit dem aber natürlich keine Beziehung in Frage kommt. Wenn diese Zeit vorüber ist, wird Ilhan eines Tages eine reine Muslima heiraten, genauso wie er es auch von seiner Schwester erwartet. Die Widersprüchlichkeit und die daraus resultierende Zerrissenheit, dass er an sich andere Maßstäbe als an Aysel stellt, werden immer wieder deutlich und sind ein spürbarer Begleiter während des Lesens. Ilhan reflektiert immer wieder sein Verhalten und dass von Aysel. Es wird aber auch deutlich, dass hier nicht aus seiner Kultur einfach ausbrechen kann und versucht Aysel mit allen Mitteln zu bekehren.

Alex würde ich nicht als typischen Teenager bezeichnen wollen. Sein Texte und Sprache habe mich häufig an eine andere Zeit erinnert. Ich musste immer häufiger an Dramen, wie z.B. Romeo und Julia, denken. Alex kämpft vehement und mit großen heroischen Worten und Taten für seine Liebe zu Aysel. Alex ist eher ein Träumer (aber ein Kämpfer) als ein Realist. Träumer deswegen, weil er fest davon überzeugt ist, dass Aysel seine große Liebe ist, sie beide aber nur weniger gemeinsame Momente haben, um sich überhaupt kennenzulernen. Trotz allem Sinn von Romantik und großer Liebe, war das für mich nicht immer ganz nachvollziehbar.

Da Aysel keine eigene Erzählstimme bekommen hat, fand ich es schwer ihre Persönlichkeit richtig greifbar auszumachen. Natürlich schwankt sie zwischen ihrer Kultur und ihrer Liebe zu Alex, aber oft habe ich mich gefragt, was sie wirklich möchte. Mir erschien die Zugehörigkeit zu ihrer Kultur allerdings wichtiger, weil sie immer wieder mit Alex in die Diskussion getreten ist und auch ihre Meinung zu Beziehungen zwischen Deutschen glaubhaft vertreten hat. Ihre Persönlichkeit blieb, wie hinter einem Schleier, zum Teil versteckt. Obwohl der Fokus hier doch auf der Liebe zweier Menschen aus verschiedenen Kulturen liegen sollte, erschien mir Aysel eher als Nebencharakter. Wenn das so gewollt war, dass der Fokus mehr auf den beiden Jungen liegt, dann ist es auf jeden Fall gelungen. Falls nicht, dann fand ich es sehr schade, dass Aysel so schwach ausgearbeitet war und ihr Verhalten für mich, vor allem gegen Ende, nicht nachvollziehbar war.

Schade ist, dass Alex Eltern in diesem Roman leider gar keine Rolle bekommen und man sich immer wieder fragt, ob sie wissen, was ihr Sohn so treibt und wie sie darüber denken. Meiner Meinung nach spielen Eltern in dem Alter schon noch so eine große Rolle als das man sie hier unerwähnt lassen kann.

Der Roman hat ein offenes Ende, welches aber für alle Beteiligte Hoffnung verspricht. Eine detaillierte Aufklärung, wie es in der Zukunft mit Alex und Aysel weiter geht, fand ich hier nicht nötig.

„Unser wildes Blut“ besticht durch seinen poetischen Schreibstil, dem sich leider Handlung und Interaktion unterordnen mussten. Er zeigt auf, welche Konflikte eine Liebe zwischen zwei verschiedenen Kulturen für alle Beteiligten bedeuten kann, wobei nicht ganz deutlich wurde, ob hier der Fokus auf den beiden Erzählern lag oder auf den beiden Liebenden.