Rezension

Eine Seele in Scherben

Scherbenmädchen - Liz Coley

Scherbenmädchen
von Liz Coley

 

Angie verschwindet auf einem Ausflug vom Erdboden. Jede noch so verzweifelte Suche bleibt erfolgslos, bis die Eltern die Hoffnung schon beinahe verloren haben. Bis Angie drei Jahre später unverhofft wieder vor ihrer Türschwelle steht. Doch sie kann sich an nichts erinnern, denkt noch immer es wären nicht mehr als ein paar Tage vergangen seit ihrem Verschwinden. Gemeinsam mit einer Psychologin macht sie sich auf die Suche nach ihren verschollenen Erinnerungen und nach sich selbst.

 

Wir begegnen einem jungen Mädchen, voller Neugierde und Tatendrang, deren Gedanken sich um das Gekicher ihrer Freundinnen und das nächste Abzeichen der Pfadfindergruppe, mit der sie unterwegs ist, dreht. Durch den detaillierten und liebevollen Schreibstil der Autorin wurde ich direkt an Angies Seite katapultiert. Ich folgte ihr über die dämpfenden Nadeln der Bäume, durch den Wald. Ich mochte die Protagonistin schon nach wenigen Seiten. Die Autorin schafft es mit einfacher und klarer Sprache Angie vor unseren Augen lebendig erscheinen zu lassen.

Um so grausamer empfand ich, dass Verbrechen, dass an ihr verübt wird. Angie kann sich jedoch an ihr jahrelanges Martyrium nicht mehr erinnern und weder ihre Familie noch die Polizei findet anfangs eine Erklärung für ihre Amnesie.

Ich habe Angie begleitet auf ihrem steinigen Weg zurück ins Leben und jede einzelne Seite gebannt verfolgt. Was wird sich als nächstes offenbaren? Was für ein Splitter ihrer Vergangenheit wird als nächstes umgedreht? Solche Fragen beschäftigten mich während der Lektüre. Angie muss sich nicht nur in der Schule und in ihrem Elternhaus wieder integrieren,  sie jagt auch gemeinsam mit einer Psychologin ihrer Erinnerungen nach und stößt dabei auf unterschiedliche Fragmente ihrer Persönlichkeit, ohne jetzt zu viel verraten zu wollen. Diesen Punkt der Geschichte fand ich persönlich sehr interessant, da ich derartige Romane nicht so häufig lese.

Die Stärke der Geschichte sind die Charaktere, allen voran Angie, die nicht weinerlich oder zickig dargestellt wird, sondern stark und mutig, jedoch auch auf glaubhafte Art und Weise immer wieder auf ihrem Weg schwankt und aus der Bahn geworfen wird.

Ein paar Szenen vor allen Dingen gegen Ende des Buches fand ich ein wenig übertrieben, aber alles in allem ist Angies Kampf um ihre Persönlichkeit und ihre Erinnerungen glaubwürdig dargestellt. Insgesamt halte ich mit Scherbenmädchen ein wirklich gutes Jugendbuch in den Händen, welches sich aus dem Einheits-Dystopie-Mädchen-Brei erstaunlich erfrischend und ernst abhebt.

Eine klare Leseempfehlung von mir mit 4,5 Sternen. Ich freue mich darauf, weitere Romane aus der Feder von Liz Coley zu lesen.