Rezension

Eine Seifenblase

Spitzweg -

Spitzweg
von Eckhart Nickel

Bewertet mit 3.5 Sternen

Darf ich vorstellen? Carl: Ein kunstliebender Schüler mit Sockenhaltern, der seine Zeit in einem holzvertäfelten Zwischengeschoss mit Tee, After Eight, Likörwein und Schallplatten verbringt. Der seine Zigaretten im Porzellanaschenbecher ausdrückt und redet, als wäre er vor 150 Jahren geboren. Und WAS er redet ist so pretentiös, überheblich und Zitatlastig, dass es jeden Burschenschaftler im dritten Semester bei weitem in den Schatten stellt.

Auch unser namenloser Erzähler, Klassenkamerad und seit neuestem Carls Freund, kommt da kaum mit. Auszuhalten ist das nur, weil Nickel seine Figuren mitunter selbst aufs Korn nimmt und so dick aufträgt, dass man es einfach nicht bierernst nehmen KANN.

Da sieht der Erzähler beispielsweise engelsgleiche Handhaltungen bei seinen Bekannten oder wird im Haus seines Deutschlehrers - Verzeihung! - TUTORS mit so vielen privaten Informationen beladen, dass sie gar nicht mehr zur Besprechung des Abiturthemas kommen. Da baut jemand wegen einer ominösen Allergie ein komplettes Haus ohne Strom und Anbindung an jedwede moderne Technik oder rettet inklusive "Heureka"-Ruf heldenmütig ein Mädchen aus größter Not (das Frauenbild spare ich in dieser Rezension lieber aus).

Schicht um Schicht, Anekdote um Anekdote entfernt sich Nickel immer weiter vom Ausgangspunkt der Handlung und kommt nur hin und wieder darauf zurück. Ich rätsele noch, ob dieser Roman überhaupt einen Plot hat oder ob Nickel einfach Lust hatte herumzufabulieren und dabei so viele hübsche Wörter unterzubringen, wie möglich. Wir hätten da beispielweise Dingfest machen, Hagestolz, Rammdösig, Britzeln, Vehikel, Weinlaub, Mumpitz, Tand, Mucksmäuschenstill
und viele viele mehr.

Kunstbesprechung, Schelmenstück, Vexierspiel, Fingerübung in schöner Sprache. All das ist "Spitzweg". Aber am besten beschreibt es sich letztlich selbst:

"Es waren Sätze wie diese, um die ich Carl beneidete, nicht, weil das was sie sagten so außergewöhnlich war, sondern aufgrund der unnachahmliche beiläufigen Art, in der er sie von sich gab. [...] Für einen wunderbar glänzenden Moment aber schwebte das Gesagte ganz eigen schillernd vor unserer Nase wie eine Seifenblase, von der noch keiner wusste, ob sie in den Himmel gleitet oder im nächsten Augenblick in ein nasses Nichts zerplatzt."