Rezension

Eine wunderbar berührende Geschichte - sprachlich herausragend

Alles Licht, das wir nicht sehen
von Anthony Doerr

Bewertet mit 5 Sternen

Gebundene Ausgabe: 519 Seiten
Verlag: C.H.Beck (27. April 2016)
ISBN-13: 978-3406680632
Originaltitel: All the Light We Cannot See
Preis: 19,95€
auch als Taschenbuch, als E-Book und als Hörbuch-Download erhältlich

Eine wunderbar berührende Geschichte – sprachlich herausragend

Inhalt:
Werner lebt im Ruhrgebiet mit seiner Schwester Jutta in einem Kinderhaus. Er möchte Ingenieur werden und versucht, sich alles Mögliche selbst beizubringen. Bald werden die Oberen auf ihn und seine Fähigkeiten aufmerksam, und er wird in der Eliteschule Schulpforta aufgenommen. Hier werden die Jungen zu Hitlers Rekruten herangezogen.

Marie-Laure ist blind. Mit ihrem Vater, einem Museumsangestellten, muss sie vor dem Krieg aus Paris nach Saint-Malo fliehen, wo ein Großonkel von ihr lebt. Ihr Vater soll den größten Schatz des Museums, einen sagenumwobenen Diamanten, vor den Besatzern in Sicherheit bringen.

Meine Meinung:
Der Roman beginnt 1934 und endet 2014, wobei sich der größte Teil zwischen 1934 und 1944 abspielt. Doerr erzählt von Marie-Laures glücklicher Kindheit mit ihrem Vater, der sich rührend um seine blinde Tochter kümmert und sie trotz ihres Handicaps zu einer selbstständigen und aufgeweckten Person erzieht. Dabei haben mir vor allem die Einblicke in das Leben einer blinden Person gefallen. Das Leben ist so viel komplizierter, wenn der wichtigste Sinn wegfällt. Auch später, als der Krieg ausbricht, kann man sich gut vorstellen, welche Ängste dieses Mädchen ausstehen muss, weil sie ja gar nicht sehen kann, wo die Gefahren lauern.

Marie-Laure entwickelt sich zu einer starken Persönlichkeit, die ihrem Umfeld große Freude bereitet und im Kampf gegen die Deutschen eine gehörige Portion Mut beweist.

Immer abwechselnd mit den Erzählungen um Marie-Laure erfahren wir Details aus Werners Leben, das in vielerlei Hinsicht anders als das des Mädchens verläuft. Werner will lernen, will ein Wissenschaftler sein. Um dieses Ziel zu erreichen, muss er sich mit den Nazis arrangieren. Dass er dabei nicht unbedingt ein gutes Gefühl hat, macht ihn nur sympathisch.

Die ganze Handlung läuft darauf hinaus, dass die beiden Protagonisten sich irgendwann begegnen. Zwei junge Menschen auf verschiedenen Seiten des Systems. Die Frage ist, wie sie sich begegnen werden, als Freunde oder als Feinde?

Als wären die Gräuel des Krieges nicht schon spannend genug, hat Doerr noch einen weiteren Handlungsstrang eingeflochten, in dem sich ein deutscher Offizier auf die Suche nach dem wertvollen Edelstein macht und Marie-Laure und ihre Familie dadurch noch mehr in Bedrängnis geraten.

Sprachlich ist Anthony Doerrs Roman hervorragend gelungen. Die Sprache passt ganz wunderbar in die vergangene Zeit. Sie ist gewählt, gehoben, teilweise leicht poetisch. Einfach sehr schön zu lesen.

Auch wenn die Erzählweise sehr ruhig ist und die Handlung nur langsam voranschreitet, konnte mich Doerr von der ersten bis zur letzen Seite nicht zuletzt durch wundervolle Beschreibungen fesseln.

Der Blick auf den 2. Weltkrieg aus der Sicht von Kindern bzw. Jugendlichen macht dieses Buch fast zu einem All-age-Roman.

Anthony Doerr wurde 2015 für diesen Roman mit dem Pulitzer Preis ausgezeichnet – meiner Meinung nach absolut zu Recht.

★★★★★