Rezension

Eine wundervolle und mutmachende Geschichte

Du + Ich = Liebe - Heike Wanner

Du + Ich = Liebe
von Heike Wanner

Bewertet mit 5 Sternen

Aufmachung:
Im hinteren Teil des Buches befindet sich eine Playlist zum Buch, die auch über Spotify abrufbar ist sowie ein Interview mit einer Bekannten der Autorin, die sich mit dem Thema Querschnittlähmung auskennt.

Inhalt:
Nach ihrer Rückkehr an die alte Schule lernt Nika den querschnittgelähmten und verschlossenen Ben kennen. Ein erstes Gespräch verläuft eher zäh. Doch Nika gibt nicht auf. Aus einer gemeinsamen Teamarbeit im Fach Physik entwickelt sich nach und nach eine Freundschaft und irgendwann auch ein wenig mehr. Bald schon stehen Nika und Ben für einander ein. Doch das Schicksal schlägt erbarmungslos zu und stellt die Liebe von Nika und Ben auf eine harte Probe.

Erweiterter Inhalt:
Nach einem Auslandsjahr kehrt Nika wieder an ihre alte Schule zurück. Sie möchte wieder Schul- und auch Klassensprecherin werden. Was sie jedoch nicht möchte, ist die Beziehung mit ihrem Ex-Freund wieder aufleben lassen. Als dieser sie an ihrem ersten Tag gleich in ein Gespräch verwickelt, weicht sie aus. Ihre Ausrede kommt spontan: Sie wäre verabredet. Mit dem Jungen, der so einsam an einem der Tische sitzt. Schnell stellt sich heraus, dass der Junge Ben heißt und dass er keinerlei Interesse hat, andere Menschen kennenzulernen.
Nika jedoch ist niemand, der sich schnell abwimmeln lässt. Hartnäckig bleibt sie am Ball und irgendwann hat sie auch Ben soweit, dass er sich ihr öffnet. Erst verspätet bemerkt sie, dass Ben querschnittgelähmt ist und da hat Nika schon einen ersten Blick hinter Bens Fassade geworfen. Sie ist fest gewillt, ein Schulprojekt mit ihm in Angriff zu nehmen und ihn besser kennenzulernen.
Aus einem Schulprojekt entwickelt sich zaghaft eine Freundschaft und irgendwann tiefere Gefühle. Bei Besuchen in Bens Wohnung bleibt es nicht aus, dass Nika irgendwann im Badezimmerschrank Windeln und Einweg-Katheter entdeckt. Sie beobachtet, wie Ben, wenn er aufgeregt ist, Spasmen erleidet. Doch Nika lässt sich nicht abschrecken. Sie recherchiert im Internet, nimmt die Herausforderungen, die sich ihr stellen, an und ist bereit, den Alltag mit Ben gemeinsam zu bestreiten.
Hinzu kommt, dass sowohl Ben, als auch Nika, Mütter haben, die es den Kindern nicht leicht machen. Nikas Mutter ist nach dem Tod ihres Mannes nicht mehr die lebenstaugliche Frau von früher. Sie zieht sich tagsüber fast nur in den Keller zurück, um dort zu arbeiten. Ihren Kindern gegenüber wirkt sie oft gleichgültig. Die drei jungen Brüder von Nika haben längst gelernt, auf ihre Schwester zu hören. Nika ist nur froh, dass ihre Großmutter ihr eine wertvolle Stütze im Alltag bietet. Doch was ist, wenn ihre Oma irgendwann verstirbt? Wer wird ihnen dann helfen?
Bens Mutter hingegen hat sich daran gewöhnt, ihren Jungen zu pflegen und ihm alles Denkbare zu ermöglichen. Oft fühlt sich Ben in ihrer Gegenwart wie ein Kleinkind. Bens Mutter ist nicht begeistert, als sie erfährt, dass Ben eine Freundin hat. Sie fürchtet den Kontrollverlust.
Diese Schwierigkeiten prägen den Alltag von Ben und Nika und doch sind beide bereit zu kämpfen. Doch eines Tages passiert etwas, was beide nicht geplant haben und was selbst die starke Nika zum Einknicken zwingt.

Eigene Meinung:
Die Geschichte wird aus der Perspektive von Ben und Nika geschrieben. Beide Charaktere sind mir sehr ans Herz gewachsen. Nika habe ich für ihren Kampfgeist und für ihre Hartnäckigkeit bewundert. Bens Behinderung begegnet sie mit Offenheit. Weder bemitleidet sie Ben noch beschönigt sie seine Probleme. Bald schon steht sie bedingungslos für ihn ein. Aber auch Ben ist bald schon bereit zu kämpfen. Sein Alltag gewinnt durch Nikas Anwesenheit. Er flüchtet sich nicht in Trübsal, sondern nimmt sein Schicksal an.
Die Art, wie beide Charaktere mit Bens Lebensumständen, aber auch mit Nikas Problemen im Alltag, mit den jüngeren Brüdern und der depressiven Mutter umgehen, hat mir sehr gefallen.
Auch hat die Autorin gut recherchiert. Sie beschreibt, mit welchen Problemen sich ein querschnittgelähmter Mensch im Alltag auseinandersetzen muss. Einweg-Katheter, versehentliches Urinieren beim Geschlechtsverkehr, Windeln tragen, weil es ansonsten im Alltag zum Malheur kommen kann oder auch Spasmen in den ungünstigsten Momenten, thematisiert sie in ihrer Geschichte. Hinzu kommen die Probleme des Alltags. Nicht nur die Mütter stellen ein Hindernis dar, auch das erweiterte Umfeld, wie die Mitschüler, betrachten die Beziehung von Nika und Ben mit kritischem Blick. Und dennoch wirkt das Buch auf keiner Seite düster oder deprimierend. Es wirkt eher lebensbejahend und mutmachend.
Auch die Liebesgeschichte, die sich zwischen Nika und Ben entspinnt, hat mir unglaublich gut gefallen. Zu Anfang sorgte gerade Nikas Hartnäckigkeit für den ein oder anderen Schmunzler bei mir. Trotz Bens Bemühen, sie abzuwimmeln, bleibt sie am Ball. Nicht umsonst hat sie einen Kurs in Communication Skills belegt. Im weiteren Verlauf imponierte mir Bens Schlagfertigkeit. Er lässt sich nicht durch Sprüche, ob seiner Behinderung runterziehen. Er kontert geschickt. Nach und nach kommen sich Nika und Ben sehr viel näher. Langsam, ja nahezu zaghaft, entwickelt sich ihre Beziehung. Die Art, wie beide miteinander umgehen, war sehr schön zu beobachten.
Im hinteren Teil des Romans gibt es einen Tiefschlag, der für eine Menge Spannung sorgt. Ich habe mit beiden Protagonisten sehr gelitten und für ihre Beziehung gehofft. Ob es ein Happy End gab oder nicht, das möchte ich an dieser Stelle jedoch nicht verraten.

Fazit:
Du + ich = Liebe ist eine Liebesgeschichte zwischen einem querschnittsgelähmten Jungen und einem Mädchen, das den tägliche Kampf gegen Überforderung und Hilflosigkeit aus ihrer Familie gewohnt ist. Mehr und mehr erfahren sie so über das Leben des anderen und die Schicksalsschläge, die sie beide erlitten haben.
Die Geschichte beider Protagonisten zeigt, wie man mit Krankheit oder Schicksalsschlägen fertig wird. Eine Abhandlung über Lebenseinstellungen und Wertvorstellungen.
Die Geschichte zwischen Ben und Nika kommt auf keiner der Buchseiten düster daher. Vielmehr wird durch die Erzählung eine lebensbejahende Stimmung vermittelt.
Du + Ich = Liebe ist eine wundervolle und mutmachende Geschichte, die ich jedem Leser empfehlen möchte, der eine Liebesgeschichte der etwas anderen Art sucht.

Buchzitate:
„Kann ich dich mal was fragen?“, sage ich, während ich ein paar Kissen zur Seite räume und mich aufs Sofa lege. „Noch was?“, stöhnt er. „Hast du kein Erbarmen mit mit? Ich glaube, ich bin völlig ausgefragt.“