Rezension

erschütternd und poetisch

Ein Winter mit Baudelaire
von Harold Cobert

Bewertet mit 5 Sternen

Als Claire 6 ½ Jahre alt ist, ist die Scheidung durch und Philippe muss die gemeinsame Wohnung verlassen. Seine geliebte kleine Tochter darf er erst dann wiedersehen, wenn er eine Wohnung hat.
Er weiß nicht wo er bleiben soll. Um eine neue Wohnung hat er sich bisher nicht gekümmert, Hotel sind in Paris alle ausgebucht oder horrend überteuert. So schläft er im Wagen vor seinem Büro. Nachdem er am nächsten Tag zerknittert bei der Arbeit ankommt, wird ihm klargemacht, dass aufgrund seiner schlechten Arbeitsleistung der Vertrag nicht verlängert wird. So steht er gleich doppelt auf der Straße, keine Wohnung, keine Arbeit. Bei seinen Versuchen eine Wohnung zu bekommen wird er abgelehnt, weil er keine Arbeit hat, eine Arbeit erhält er nicht ohne Wohnung. Einige Zeit kann er sich mit dem verbliebenden Geld und Hotelübernachtungen über Wasser halten, aber nicht mehr lange und er ist obdachlos. Auch das Leben auf der Straße will gelernt sein, und er macht einige unliebsame Erfahrungen. Im Sommer und Herbst ist das Leben noch erträglich, mit kleinen Betteleien kann er überleben, aber nun kommt der Winter. Das Obdachlosenheim, das er kennenlernt und so verdreckt, das er schnell wieder kehrtmacht.
Als er fast am Abgrund steht kommt ein kleiner streunender Hund auf ihn zu. Er hilft ihm aus einer brenzligen Situation heraus, er führt ihn zu Freunden, die ihm Essen geben. Die Almosen der Passanten werden aufgrund des süßen Hundes großzügiger und er kommt mit Menschen ins Gespräch, die ihn vorher nicht beachtet haben. Die größte Hilfe erfährt er jedoch auf dem Obdachlosenkahn Le Fleuron, bei dem nur Obdachlose mit Hunden aufgenommen werden. Dort bekommt er eine Beratung um Sozialhilfe zu erhalten und ein Jurist kümmert sich um das Sorgerecht für seine Tochter.
Ein erschütternder Roman – der in Teilen autobiografisch ist – über das Leben auf der Straße. Wie leicht kann man dorthin geraden. Besonders betroffen machte mich die Schilderung der vielen noch berufstätigen Obdachlosen. Das Gehalt reicht nicht für ein Dach über dem Kopf. Hier ist doch wirklich etwas falsch in unserer Gesellschaft. Die Handlung spielt zwar in Frankreich und möglicherweise sind wir in Deutschland noch davon entfernt, jedoch nicht mehr weit.