Rezension

Erwartungshaltung: lange eher Krimi denn Thriller – vor ungewohnter Kulisse Japans

Blutroter Tod - Tetsuya Honda

Blutroter Tod
von Tetsuya Honda

Bewertet mit 4 Sternen

~~Reiko Himekawa ist Hauptkommissarin und Hauptfigur der in Tokyo angesiedelten Handlung – „Blutroter Tod“ ist der erste Band einer ganzen Reihe und auch der erste, der in deutscher Sprache veröffentlicht wurde; die gesamte Reihe ist ein großer Erfolg in Japan, wurde dort auch verfilmt.
Eingewickelt in eine Plastikfolie wird eine Leiche gefunden, wenig verborgen in einem Park. Der Tote kann dank seiner Zahnabdrücke bald identifiziert werden – aber wer hat ihn ermordet? Warum fügt man jemandem, der bereits tot ist, noch einen tiefen Schnitt in der Magengegend zu? Und wie erklärt sich der Ablageort? Und was für ein Termin kann jemanden an jedem zweiten Sonntag im Monat faszinieren? Dazu kommt noch eine Parallelhandlung um eine mysteriöse Person…
Der japanische Autor Tetsuya Honda verwendet eine ungewohnte Konstruktion, um seine Handlung voranzutreiben: der Leser begleitet wechselnde Ermittler-Kombination um Hauptfigur Reiko Himekawa bei der Arbeit, abends kommen alle zum Abliefern der Ergebnisse zusammen auf der Keishi-chō = Polizeibehörde; d.i. die Polizeibehörde im Sinne eines Polizeipräsidiums der japanischen Präfektur Tokio lt. Wikipedia (keine Sorge, sehr viel hatte ich nicht nachzuschlagen für die Lektüre). Der Beginn gewährt damit einen Einblick in die völlig andere Polizeiarbeit in Japan, in der die niederen Ränge „Untergebene“ sind, die „befehligt“ werden – die Struktur ist militärisch. Das Tempo für das Buch entspricht für die ersten 60% eher einem Krimi denn einem Thriller, man ist bei der Fußarbeit dabei, die in Tokyo oft mit öffentlichen Verkehrsmitteln erledigt wird, seltener mit dem Taxi (wohl wegen des allgemeinen Verkehrschaos).
Die Strukturen sind verkrustet: „Am Ende bekamen nutzlose Esel, die nur deshalb keine Fehler machten, weil sie absolut nichts unternahmen, bessere Noten als die Beamten, die sich den Hintern abarbeiteten, dabei aber den einen oder anderen Fehler machten.“ (S. 117) Beziehungen gelten viel für die Karriere bei der Polizei – und Frauen noch nicht sehr viel. Nachdem ich in diesem Jahr mit „Lebensgeister“ von Banana Yoshimoto mein erstes Buch mit Japan als Handlungsort seit „Shogun“ in den achtziger Jahren (!) gelesen hatte, war ich überrascht davon, wie wenig fremd mir Japan erschien. Der Effekt wurde in diesem Buch wieder etwas umgekehrt anhand der (für Deutschland) Fünfziger-Jahre-Geschlechter-Stereotypen: Das einzige, was tröstet, ist, dass das Buch mit einer weiblichen Ermittlerin ein Renner in Japan ist.
Für den Fortschritt der Handlung muss ich dann wieder die übliche Sadisten-Warnung aussprechen für eventuell empfindliche Leser – ab da trägt dann auch der Thriller-Anteil. Mir hat der Einblick in eine für mich fremde Welt gut gefallen,ich hatte eine andere Person im Verdacht gehabt und ich fühlte mich insgesamt gut unterhalten und bin gespannt auf weitere Teile der Reihe! Gute 4 von 5 Sternen!

Kurze Anmerkung:
Es gibt ein Personenverzeichnis zu Beginn – da ich japanische Namen aber überhaupt nicht gewohnt bin, habe ich mir lieber ein eigenes gemalt, das die Beziehungen untereinander und kurze Charakteristika beinhaltete; danach konnte ich mich sehr gut zurechtfinden.