Rezension

Familienheirat

Liebesheirat -

Liebesheirat
von Monica Ali

Bewertet mit 4 Sternen

Inhalt:

Yasmin und Joe wollen heiraten. Beide sind junge Ärzte, einander in Bildung und Berufsstand scheinbar ebenbürtig. Yasmin kommt aus einer muslimischen Einwandererfamilie. Die religiöse Mutter bleibt zuhause, der Vater hat sich als Arzt im britischen System hochgearbeitet und ist stetig um Aufstieg bemüht, einzig Yasmins rebellierender Bruder Arif fällt aus dem Bild.

Joe ist der Sohn einer alleinerziehenden Mutter aus der britischen Oberschicht. Harriet ist eine exzentrische Hardcore-Feministin. Einerseits weltoffen, andererseits auch wieder nicht. 

Nach der Verlobung treffen die Familien erstmals aufeinander und im Zuge der anstehenden Hochzeit kommt so einiges, in den ohnehin schon brüchigen sozialen Gefügen, in denen Joe und Yasmin sich befinden, ins Wanken.

Meine Meinung:
Monica Ali ist ein großartiger Roman gelungen. Anfangs haben mich die 600 Seiten Buch eher abgeschreckt, im Nachhinein muss ich jedoch befinden, dass die wenigsten davon zu viel gewesen sind. Die Autorin handelt in „Liebesheirat“ so viele substanzielle Themen in ihrer Tiefe ab, dass das Buch seinem Umfang tatsächlich gerecht werden kann.

Es geht hier nicht nur, so wie leicht zu vermuten, um das Aufeinandertreffen zweier Kulturen, um Migration und Rassismus. Nein, es geht auch um Standesunterschiede, um soziale Ungleichheiten und Machtgefüge, um Feminismus, um Erziehung, um Eltern-Kind-Beziehungen, um verschiedenste Lebensrealitäten, die ganz nah aneinander existieren können und sich doch nicht berühren. Genau wie die Protagonisten in Monica Alis Roman, die so nah nebeneinander existieren und es doch meist nicht schaffen, miteinander in Kontakt zu treten und ihre Probleme zu kommunizieren. 

„Liebesheirat“ lebt von seinen realitätsnahen und detailliert gezeichneten Figuren, welche die Autorin wirklich bis in ihre Tiefen ausgefeilt hat. Es ist eine Freude das zu lesen. Genauso wie der unterschwellige Humor im Text eine Freude ist. Es ist genau die Brise von Humor, die nötig ist, um die Masse an ernsthaften Problemen und Konflikten für die Lesenden mit einer gewissen Leichtigkeit aufzubereiten.

Einzig auf den letzten Metern der Geschichte fand ich ein paar charakterliche bzw. inhaltliche Entwicklungen, welche gewählt werden, nicht ganz nachvollziehbar dargestellt Vielleicht könnte man auch sagen, sie sind mir zu klischeehaft gewesen. 

„Liebesheirat“ spielt im medizinischen Umfeld. Der Klinikalltag und verschiedene medizinische Fragestellungen spielen immer wieder eine Rolle. Nicht zuletzt möchte ich die Autorin vor allem dafür loben. Es ist ihr gelungen die Medizin-Aspekte sehr genau und vor allem inhaltlich korrekt wiederzugeben. Das liest man in dieser Form nur selten und ist definitiv ein Indikator, für die Qualität dieses Buchs.

Fazit:
„Liebesheirat“ ist trotz kleiner Mängel  bislang eines meiner Lieblingsbücher im Jahr 2022. Der Roman ist intelligent und bietet eine scheinbar endlose Basis an Inhaltlichkeit. Die Protagonisten werden auf 600 Seiten zu Begleitern, die man manchmal gern hat und über die man sich oft auch ärgern kann. So oder so wecken sie auf jeden Fall Emotionen und regen zum Nachdenken an.